
Rewind: Zehntausend Turbinenteile erhalten ein zweites Leben
Was passiert mit einer Windturbine, nachdem sie jahrzehntelang treu ihren Dienst getan hat? Vattenfall ist entschlossen, die Geschichte der Stilllegung von Windturbinen neu zu schreiben. Es ist nicht das Ende, sondern der Beginn eines neuen Kapitels, in dem sich alles um Kreativität und Kreislaufwirtschaft dreht. Die Rewind-Plattform von Vattenfall, die auf der Dutch Design Week 2025 ausgestellt wurde, zeigt wie Turbinenkomponenten ein zweites Leben gegeben werden kann – sowohl innerhalb der Windindustrie als auch weit darüber hinaus.
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Da sich weltweit Tausende von Windturbinen dem Ende ihrer Betriebslebensdauer nähern, stellt sich nicht nur die Frage, wie sie recycelt werden können, sondern auch, wie ihr verborgenes Potenzial erschlossen werden kann. Über 90 Prozent der Materialien einer Windturbine wie Stahl, Kupfer und Elektronik werden bereits wiederverwendet oder recycelt. Die eigentliche Herausforderung sind die verbleibenden Teile, insbesondere komplexe Komponenten und Verbundstoffe, die sich nicht für die herkömmlichen Recyclingströme eignen.
Komponenten von Windturbinen, die für extreme Bedingungen gebaut wurden, können oft mehrere Jahre lang in weniger anspruchsvollen Situationen eingesetzt werden. Doch wie lassen sich diese Materialien auf intelligente und sinnvolle Weise zu einem zweiten Leben erwecken? Die Lösung liegt im Design, das auf Wiederverwendung ausgerichtet ist: Anstatt ausrangierte Turbinen als Abfall zu sehen, sollten wir ihre Komponenten als Goldgrube von Ressourcen betrachten.
Die Kunst der Wiederverwendung
„Bei Nachhaltigkeit steht nicht nur die Erzeugung von fossilfreiem Strom im Mittelpunkt, sondern es geht auch darum, was danach passiert“, sagt Thomas Hjort, Head of Innovation Offshore Wind bei Vattenfall. „Ein Getriebe beispielsweise, das jahrelang den Stürmen der Nordsee standgehalten hat, ist stark genug für ein zweites Leben in einer weniger anspruchsvollen Umgebung. Durch die vorrangige Verwendung vorhandener Komponenten können Designer, Entwickler und Ingenieure die Lücke zwischen dem Ideal und der Verfügbarkeit schließen und oft intelligentere, kostengünstigere und nachhaltigere Lösungen finden, als wenn sie bei Null anfangen würden.“
Die Rewind-Plattform von Vattenfall baut auf einer Idee auf, die im vergangenen Jahr erstmals vorgestellt wurde. Damals verblüfften Vattenfall und seine Partner die Besucher der Dutch Design Week (DDW) in Eindhoven, indem sie die Turbinengondel aus Glasfasern – das Herzstück der Turbine – in ein stilvolles, zehn Meter langes Tiny House verwandelten, das die niederländischen Tiny House-Standards erfüllt. Dies war eine eindrucksvolle Demonstration, die den Wert der Zusammenarbeit mit der Designgemeinschaft hervorhob und zeigte, dass Wiederverwendung nicht nur praktisch, sondern auch visuell beeindruckend sein kann. Sie beweist, dass Wiederverwendung nicht nur eine ökologische Pflicht ist, sondern auch eine Quelle der Kreativität und Inspiration.
Die Punkte verbinden
Im Hafen von Lelystad in den Niederlanden hat Vattenfall erfolgreich das Potenzial der Wiederverwendung von Turbinenblättern als Auftriebskörper für die Landerschließung und schwimmende Häuser getestet. Diese Idee stand im Zusammenhang mit dem Team Forschung und Entwicklung von Vattenfall, das an einem Konzept für die Entwicklung schwimmender Lebensräume in Schweden arbeitete. Im Rahmen seines Programms zur Förderung der Biodiversität in Wasserkraftwerken entwickelt und implementiert Vattenfall Lösungen, um die Biodiversität unter geeigneten Bedingungen zu verbessern. In Flüssen mit Wasserkraftdämmen können sich schwimmende Inseln an die schwankenden Wasserstände anpassen und eine stabile Plattform für Flora und Fauna bieten, auf der diese sich vermehren und gedeihen können.
Da Turbinenblätter mit ähnlicher Technologie wie im Schiffbau hergestellt werden und in relativ ruhigen Gewässern fünfzig Jahre und länger halten können, lassen sich diese Blätter, wenn sie nicht mehr in einem Windpark verwendet werden, in Wasserkraftgebieten wiederverwenden, um schwimmende Inseln zu bilden, die neue Lebensräume schaffen.
Bestellung nach „Fast Food-Menü“-Konzept
Der nächste Schritt in der Kreislaufwirtschaft besteht darin, das Potenzial ausrangierter Turbinenkomponenten zu erforschen: Eine einzige Gondel enthält über 10.000 technische Teile. Durch die Ermutigung zu unkonventionellem Denken und das Zusammenbringen von Experten aus den Bereichen Design, Technologie und verschiedenen weiteren Sektoren können für diese Komponenten unerwartete Werte und Anwendungen gefunden werden, um einen Zweck zu erfüllen, der weit über ihren ursprünglichen Zweck hinausgeht.
„Wer einmal gesehen hat, was möglich ist, wird die Sichtweise auf alte Komponenten für immer verändern. Der Übergang von der Wiederverwendung von Materialien zur Verwendung ganzer Teile für einen neuen Zweck ist genau der Effekt, den Vattenfall mit dem Bau des Tiny House erreichen wollte“, kommentiert Thomas Hjort.

In der Ausstellung der Dutch Design Week 2025 konnten Besucher die digitale Rewind-Plattform per Touch Screen testen. Foto: Nick Bookelaar
Auf der DDW 2025 demonstrierte Vattenfall diesen nächsten Schritt mit der Einführung von „Rewind“: einer digitalen Plattform, die die Wiederverwendung von Turbinenkomponenten einfacher und leichter zugänglich macht. Es ist wie ein digitales Lager für Turbinenteile, das mit einer benutzerfreundlichen Touchscreen-Benutzeroberfläche ausgestattet ist, die fast so aussieht wie die in Schnellrestaurants. Bauherren, Entwickler:innen und Innovatoren können einfach die verfügbaren Komponenten durchsuchen, Spezifikationen prüfen und kreative Ideen für neue Anwendungen austauschen. Ein KI-gesteuerter Chatbot, der auf Daten vergangener Ausstellungen, Recherchen und Komponentendetails zurückgreift, führt die Nutzer mit Multiple-Choice-Fragen durch den Ideenfindungsprozess. Dank künstlicher Intelligenz können die Nutzer ihre Konzepte visualisieren und herunterladen, bevor sie sie zum Leben erwecken. Durch die spielerische Kombination verschiedener Teile wie „Legosteine“ generiert das Tool Hunderte von Ideen für die Wiederverwendung in der Windindustrie und darüber hinaus.
„Indem wir einen Katalog mit gebrauchten Teilen zur Verfügung stellen, in dem die Außenwelt nach Komponenten suchen kann, die für den Einsatz unter rauen Bedingungen gebaut wurden, wollen wir in erster Linie einen Perspektivenwechsel herbeiführen, bei dem Entwickler und Konstrukteure mit dem arbeiten, was bereits vorhanden ist, anstatt immer nach der perfekten neuen Lösung zu suchen“, erläutert Thomas Hjort die Idee hinter dem Tool.

Ausrangierte Windturbinenblätter werden mit natürlichen Materialien kombiniert, um hybride Küstenschutzbarrieren zu bilden, die den Wasserfluss verlangsamen und Sedimente zurückhalten. KI-generierte Darstellung.
Vom Bewässerungsarm zur Ladestation
Dies sind nur einige der kreativen Anwendungen, bei denen die Rewind-Plattform den Nutzern hilft, Turbinenkomponenten neu zu konzipieren und neue Möglichkeiten zu eröffnen, die Grenzen der Kreislaufwirtschaft in verschiedenen Sektoren zu erweitern:
Landwirtschaft: Getriebe, Azimutantriebe, Kühlsysteme, Rohre und Pumpen können zu robusten Bewässerungssystemen für wasserarme Regionen umfunktioniert werden. Die Rotorblätter werden zu Bewässerungsarmen, und die Kühlsysteme der Turbinen sorgen für eine zuverlässige Wasserverteilung.

Werden Rotorblätter bald als Bewässerungssysteme wiederverwendet? Mit KI erzeugte Impressionen.
E-Mobility: Die Gondeln von Windturbinen enthalten fortschrittliche Elektronik und Komponenten wie Schalter, Generatoren und Umrichter, die für den Bau kostengünstiger Ladestationen für Elektrofahrzeuge wiederverwendet werden können. Die Gondelabdeckung kann als äußere Struktur für die Station dienen. Ladestationen für Elektrofahrzeuge helfen, Energie zu liefern, wenn sie gebraucht wird, und unterstützen so intelligentere Lade- und Netzlösungen.
Bauweise: Die robusten, leichten Verbundplatten von Gondeln eignen sich hervorragend für Buswartehäuschen, Parkhäuser, Lärmschutzwände, Infokioske oder Festivalpavillons geben schwer zu recycelnden Materialien ein zweites Leben.
Aufladen des Netzes
Durch die Zerlegung und Darstellung der einzelnen Komponenten einer Windturbine hat die Rewind-Initiative gezeigt, welche Rolle diese Teile bei der Stärkung und Modernisierung der Stromverteilungsnetze spielen können. Im Zuge der zunehmenden Elektrifizierung der Gesellschaft bieten diese wiederverwendeten Materialien intelligente Lösungen, damit die Netze mit dem wachsenden Energiebedarf Schritt halten können.
Thomas Hjort erklärt: „Dies ist besonders interessant angesichts der heutigen Relevanz und der erheblichen Überschneidungen bei Schlüsselkomponenten wie Kabeln, Hochspannungsschaltanlagen, Klimakontrollsystemen und Überwachungsgeräten, die sowohl für Windturbinen als auch für moderne Stromnetze unerlässlich sind. Gemeinsam mit den Netzbetreibern sieht Vattenfall ein großes Potenzial und einen großen finanziellen Nutzen in der Nutzung dieser gemeinsamen Komponenten, um die für eine stärker elektrifizierte Zukunft notwendige Infrastruktur zu unterstützen und auszubauen.“
Kein Modewort, sondern eine Denkweise
Die Kreislaufwirtschaft bietet sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile. Der Aufbau intelligenter Wertschöpfungsketten rund um wiederverwendete Materialien hilft Unternehmen, ihrer ökologischen Verantwortung gerecht zu werden und gleichzeitig finanzielle Gewinne zu erzielen. Die Entwicklung von Komponenten, die jahrzehntelang halten, und die Planung ihrer künftigen Wiedereingliederung in die Versorgungskette können einen nachhaltigen Wert und ein effizientes Ressourcenmanagement gewährleisten.
„Je mehr Köpfe mitmachen, desto innovativer und wirkungsvoller werden die Lösungen. Kreislaufwirtschaft sollte kein Modewort sein, sondern eine Denkweise darstellen“, betont Thomas Hjort. „Vattenfall ist vielleicht nicht der alleinige Motor für alle späteren Anwendungen von Turbinenkomponenten sein, aber wir wollen den Denkprozess in Gang setzen, bei der Realisierung der ersten Konzeptnachweise helfen und den nächsten Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft vorantreiben. Wenn Wiederverwendungs-Wertschöpfungsketten mit rentablen Geschäftsmodellen kombiniert werden, gehen Kreislaufwirtschaft und gute Geschäfte Hand in Hand und werden zur neuen Normalität. Die Übernahme von Verantwortung für unsere Vermögenswerte nach ihrem Lebensdauerende ist Teil der Arbeit für die Fossilfreiheit.“

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