"Speichern gehört die Zukunft."

Im Gespräch mit Frank-Thomas Wenzel vom Redaktionsnetzwerk Deutschland spricht unser Deutschland-Chef Robert Zurawski über die Weitergabe von Entlastungen beim Strompreis, die Energiewende zu Hause, Flexibilität und Offshore Wind.

Robert Zurawski, Deutschland-Chef bei Vattenfall

Robert Zurawski, Deutschland-Chef bei Vattenfall

Herr Zurawski, Vattenfall hat als einer der größten Stromanbieter hierzulande die Tarife für Verbraucher in Hamburg bereits erhöht und dies für Berlin angekündigt. Was sind die Gründe?

Robert Zurawski: Wir müssen die Stromtarife erhöhen, leider. Aber die Gründe sind höhere Netzentgelte, Abgaben und Umlagen, die wir nicht beeinflussen können.

Aus Verbrauchersicht könnte der Eindruck entstehen, dass Sie jetzt erhöhen, um dann Spielraum für eine Senkung der Tarife um 5 Cent zu haben, die die Bunderegierung angekündigt hat. Ist da was dran?

Zunächst: Unsere jüngste Ankündigung bezog sich auf die Grundversorgung in Berlin - mit einer Preismaßnahme von etwas über 8 Prozent vor allem wegen höherer Entgelte für das kommunale Netz, das wir vor einigen Jahren an die Stadt Berlin verkauft haben. Und man muss auch wissen: Wir haben in Berlin über zwei Jahre die Preise stabil gehalten. Bei möglichen Preissenkungen müssen wir genau schauen, was die Bundesregierung plant. Kommt tatsächlich eine Absenkung der Stromsteuer und die Deckelung der Netzentgelte, wird das natürlich preisdämpfend in unsere Kalkulationen einfließen. Wahr ist aber auch: Eine unmittelbare Weitergabe einzelner Preisbestandteile ist Stromvertrieben regulatorisch derzeit leider nicht erlaubt.

Das heißt, Sie werden nächstes Jahr um diese Zeit die Strompreise um 5 Cent pro Kilowattstunde wieder senken?

Langfristig kann man davon ausgehen, dass die Preise sinken, wenn wir mehr Flexibilität in das System bringen.

So einfach ist es leider nicht. Stromsteuer und Netzentgelte, Abgaben und Umlagen machen heute in Summe den Großteil des Strompreises aus. Hier sollte der Gesetzgeber Versorgern die Möglichkeit geben, Entlastungen direkt weiterzugeben, damit Kunden schneller davon profitieren. Bei der Beschaffung als weiterem Kostenfaktor spielt die Entwicklung der Preise im Großhandel eine wichtige Rolle. Deshalb ist es heute gar nicht möglich, zu sagen, welche Strompreise wir in einem Jahr anbieten. Aber: Langfristig kann man davon ausgehen, dass die Preise sinken, wenn wir mehr Flexibilität in das System bringen.

Verbraucher sollen künftig Strom etwa vor allem verbrauchen, wenn das Angebot groß und Energie besonders günstig ist?

Genau, beispielsweise in Dänemark wird das schon praktiziert. Wärmepumpen werden eingeschaltet oder E-Autos dann geladen, wenn Strom günstig  ist. Dahin müssen wir auch in Deutschland kommen: Flexible Stromtarife, damit der Kunde nach der Bezahlbarkeit gehen kann. So werden Angebot und Nachfrage besser aufeinander abgestimmt und die Strompreise sinken.

Das steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Auch weil es bei den zwingend notwendigen intelligenten Stromzählern hapert. Und für Mieter bringen flexible Strompreise doch sowieso praktisch nichts?

Für die Mieter haben Sie Recht. Aber bei Einfamilienhäusern gibt es Potenziale - besonders mit einer Solaranlage auf dem Dach, die mit einem Batteriespeicher kombiniert wird. Da haben Hauseigentümer die Energiewende zuhause bereits umgesetzt. Genau diese Geschäfte bauen wir aus, obwohl es bei den Wärmepumpen im vorigen Jahr einen Rückschlag gab.

Wobei es Studien gibt, die zeigen, dass Wärmepumpen hierzulande erheblich teurer sind als anderswo, weil dieser Markt von Handwerkern dominiert wird.

Als Vattenfall bieten wir Beratung, Tarife, technische Anlagen, und Installation aus einer Hand und Hauseigentümer brauchen sich nicht um jede Facette einzeln zu kümmern: die Wärmepumpe, die Solaranlage, den Speicher oder die Wallbox zum Laden des E-Autos.

Gute Handwerker sind das Rückgrat der Energiewende zu Hause. Wir verstehen uns als Partner des Handwerks und holen gezielt Handwerksbetriebe zu Vattenfall, etwa in Berlin, Hamburg oder in NRW, um diese Betriebe bei administrativen und vertrieblichen Tätigkeiten zu entlasten und wieder mehr Zeit für das Handwerk selbst in den Betrieben zu schaffen. Als Vattenfall bieten wir damit Beratung, Tarife, technische Anlagen, und Installation aus einer Hand und Hauseigentümer brauchen sich nicht um jede Facette einzeln zu kümmern: die Wärmepumpe, die Solaranlage, den Speicher oder die Wallbox zum Laden des E-Autos. Was wir aber auch dringend brauchen, ist mehr Flexibilität auf der Angebotsseite.

Da spielt Vattenfall eine wichtige Rolle als Deutschlands größter Betreiber von Pumpspeichern, die einspringen, wenn Sonne und Wind zu wenig Strom liefern. Zugleich setzen Sie auf große Batteriespeicher an Standorten früherer Kernkraftwerke. Sind Speicher das nächste große Ding in der Energiebranche?

Pumpspeicherkraftwerke sind bestens geeignet, um Engpässe sehr kurzfristig zu beseitigen. Und wir  sehen das Potenzial für weitere Pumpspeicherwerke. Hier muss die neue Bundesregierung aber attraktive Bedingungen schaffen, um mit heimischer Technologie flexible Speicher aufzubauen, die künftig häufiger benötigt werden – wegen des Ausbaus der Erneuerbaren. Batteriespeicher sind eine wichtige Ergänzung, insbesondere im Norden aufgrund des hohen Stromangebotes aus Windparks. Ein sinnvoller Netzausbau muss hinzukommen.

Könnte man dann auf die zahlreichen neuen Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt verzichten, die die Bundesregierung in den nächsten 5 Jahren errichten will?

Nach meiner Einschätzung muss sich die Bundesregierung das Gesamtkonzept noch einmal anschauen.

Komplett verzichten: eher nicht. Aber die 20 Gigawatt sind aus unserer Sicht zu viel. Speichern gehört die Zukunft. Gaskraftwerke können aber nur erzeugen - das ist die alte Welt. Nach meiner Einschätzung muss sich die Bundesregierung das Gesamtkonzept noch einmal anschauen.

Gilt das auch für die Erzeugung von Windstrom auf See? Die Bundesregierung will da eher bremsen. Dabei sind die Kosten für die Offshore-Erzeugung massiv gefallen und die erzeugten Strommengen sind sehr verlässlich.

Vattenfall hat ein großes Offshore-Portfolio aufgebaut. Doch dieses Geschäft ist momentan, sagen wir einmal, herausfordernd. In den vergangenen zwei Jahren sind die Preise für die Fertigung der Windräder - Fundament, Turm und Turbine - deutlich gestiegen. Auch da muss die Politik reagieren: Derzeit wird vorgeschrieben, wie viel Leistung in einem bestimmten Areal installiert werden muss. Besser wäre, Betreibern mehr Spielraum zu geben, indem die Vorgabe sich auf die produzierte Strommenge beziehen würde. Das würde die Gestehungskosten senken.

Das Interview führte Frank-Thomas Wenzel. Es erschien zuerst im Redaktionsnetzwerk Deutschland: Strompreis um 5 Cent senken? „So einfach ist es leider nicht“

Mehr Informationen

Ein „Akku‟ für Deutschlands Energieversorgung

Den Artikel veröffentlicht Peter Heinze in seinem Buch "Viel Neues im Osten Deutschlands".

Lesen Sie den gesamten Artikel

Novum im Strommarkt: Vattenfall und terralayr starten erste Partnerschaft für Batteriespeicher-Netzwerk

Der Energieversorger Vattenfall und terralayr setzen einen Meilenstein im Strom- und Energiemarkt: Mit dem ersten bekannten „Multi-Asset Capacity Toll“ schließen sie einen wegweisenden Nutzu...

Lesen Sie den gesamten Artikel

KI gibt Aufschluss über Vogelkollisionen an Offshore-Windparks

Wie gefährlich sind Offshore-Windkraftanlagen für Vögel? Neue Studien ergaben Überraschendes.

Lesen Sie den gesamten Artikel