E-Straße

Elektrischer Schwerlastverkehr: Schweden ist Vorbild für Deutschland

Dass der Verkehrssektor weltweit als ein kritischer Treiber von CO2-Emmissionen gilt, ist kein Geheimnis. Um die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken, muss auch in Sachen Transport umgedacht werden - und das schnell.

In Schweden laufen derzeit verschiedene Pilotprojekte, die ermitteln sollen, wie sich insbesondere der Schwerlasttransport von Verbrennungsmotoren auf Elektroantrieb umstellen lässt. Die eRoadArlanda, an der auch Vattenfall beteiligt ist, sowie der eHighway in der Region Gävleborg sind zwei prominente Beispiele. Vattenfall ist Mitte Oktober 2018 mit einer Gruppe deutscher Journalisten nach Stockholm gereist, um sich vor Ort ein Bild von den Projekten zu machen. Mit dabei war auch Christian Seelos, Chefredakteur von energate, der seine Eindrücke schildert. Der Beitrag erschien zuerst bei der Onlineplattform energate.

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Die Teststrecke einer eRoad in Arlanda

 

Im kommenden Jahr sollen die ersten Oberleitungs-LKW über deutsche Straßen rollen. In Schweden ist die Technik aus dem Hause Siemens schon seit zwei Jahren im Einsatz – bislang weitgehend reibungslos, wie Journalisten während einer Pressereise erfuhren. Schweden, das gemeinsam mit Deutschland den elektrischen Schwerlastverkehr voranbringen will, testet aber auch eine weitere Technologie: Auf der "E-Road Arlanda" lädt ein vollelektrischer LKW während der Fahrt über ein Schienensystem Strom.

In Deutschland sollen demnächst drei Autobahnabschnitte per Oberleitung elektrifiziert werden. Für ein fünf Kilometer langes Teilstück der A5 am Frankfurter Flughafen fiel bereits im Frühjahr der Baustart. Mitte Oktober begannen nun auch die Arbeiten für eine ebenfalls fünf Kilometer lange Oberleitungsstrecke an der A1 bei Lübeck. Beide vom Bund geförderte Teststrecken werden im Frühjahr 2019 in Betrieb gehen. Dann sollen mit einem speziellen Greifarm ausgestattete Hybrid-LKW während der Fahrt Strom aufladen und damit lokal CO2-emissionsfrei unterwegs sein. 2020 soll dann eine dritte Teststrecke in Baden-Württemberg folgen. Der Bund erhofft sich von der Technologie, die aus dem Hause Siemens stammt, einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz im Güterverkehr. Nach Berechnungen des Öko-Instituts sind gegenüber herkömmlichen Diesel-PKW CO2-Einsparungen von rund 25 Prozent möglich. 

Erste Elektro-Autobahn steht in Schweden 

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eHighway in der Region Gävleborg in Schweden, Foto: Region Gävleborg

 

Wie eine solche Oberleitungsstrecke für teilelektrische LKW in der Praxis aussieht, kann man im schwedischen Sandviken - rund 150 Kilometer nördlich von Stockholm - begutachten. Dort hat Siemens schon vor zwei Jahren seinen ersten "eHighway" in Betrieb genommen. Auf zwei Kilometern Länge sind inzwischen drei Dieselhybrid-LKW von Scania unterwegs und das nahezu problemlos, betont Projektleiter Magnus Ernström. In dem "eHighway" stecke ausschließlich etablierte Technik. Die Oberleitungsstrecke enthalte kein neues Patent, jeder könne die Technologie nutzen, so Ernström.

Sensoren im Dach der LKW erkennen, ob das Fahrzeug unter einer Oberleitung fährt. Daraufhin werden die Abnehmer auf dem Führerhaus ausgefahren und der Elektromotor beziehungsweise die Antriebsbatterie geladen. Endet die Oberleitung oder will ein LKW überholen, springt entweder die Batterie oder der Dieselmotor ein. Bisher fahren die LKW ohne Kontakt zur Oberleitung nur einige hundert Meter elektrisch, räumte Ernström ein. Künftige Modelle sollen aber zehn Kilometer oder mehr über die Batterie fahren können. Erst dann müsste wieder eine neue Oberleitungsstrecke installiert sein. Die Region Gävleborg, in der die erste Teststrecke in Betrieb ging, will nun prüfen, wo weitere Oberleitungsstrecken errichtet werden können.

Energiekonzerne als Betreiber denkbar 

Vattenfall ist an dem Pilotprojekt in Sundviken nicht beteiligt. Das Interesse des Konzerns an der Technologie ist dennoch groß. Zum einen bringt sich der Konzern als Energielieferant ins Spiel, sollten tatsächlich maßgebliche Teile des schwedischen und gegebenenfalls sogar europäischen LKW-Gütertransports elektrifiziert werden. Aber auch den Betrieb der Oberleitungssysteme schließt Vattenfall nicht aus, sagte Maria Ramstedt-Presits. Sie verantwortet bei dem staatlichen Energiekonzern das Business Development rund um elektrifizierte Straßen. Es sei allerdings unklar, ob Vattenfall das aus Unbundling-Gründen überhaupt darf.

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Elektrische Ladesäulen sind im schwedischen Straßenbild keine Seltenheit mehr

 

Für den möglicherweise bevorstehenden Rollout von E-Roads bringt sich Vattenfall über ein zweites E-Straßen-Projekt in Schweden in Position. Auf einer zwei Kilometer langen Pilotstrecke nahe des Stockholmer Flughafens ist seit Mai ein E-LKW der Logistikfirma NCC unterwegs. Er versorgt sich während der Fahrt über eine Stromschiene mit der benötigten Energie und kann so die 13 Kilometer lange Pendelstrecke zwischen dem Frachtzentrum des Flughafens und dem NCC-Logistikzentrum komplett elektrisch bewältigen. Der E-Laster des niederländischen Herstellers DAF ist mit einem beweglichen Arm für die Stromübertragung ausgestattet. Dieser erfasst die Position der Schiene auf der Straße und senkt sich dann punktgenau ab. Solange der Kontakt besteht, wird Energie von der Schiene auf das Fahrzeug übertragen. Dabei ist die Stromschiene in einzelne Abschnitte unterteilt, sodass nur dort Strom fließt, wo das Fahrzeug gerade unterwegs ist. 

Kleine Batterien senken die Kosten 

Die Elektroschiene wurde von der Innovationsfirma Elways entwickelt. Vattenfall, NCC und die Baufirma ABT Bolagen sind Partner der E-Road Arlanda.

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Installation der Schienen Foto:eRoad Arlanda

 

Elways-Gründer Gunnar Asplund nennt mehrere Vorteile der Technologie: Im Gegensatz zu Oberleitungen könnten sie aufgrund des geringen Abstands zwischen Fahrzeug und Kontaktpunkt von allen Fahrzeugtypen genutzt werden, also auch von PKW oder Bussen. Zudem seien die Investitionskosten für das Schienensystem überschaubar, das Landschaftsbild werde nicht beeinträchtigt und die Bauzeit mit einem Tag pro Kilometer sehr kurz - auch wenn es bei der Pilotstrecke etwas länger dauerte, wie Asplund einräumte.

Der größte Vorteil ist aber, dass die per Schiene aufgeladenen LKW nur eine verhältnismäßig kleine Batterie benötigen. Das senkt die Kosten. Der Test-LKW von DAF verfügt über eine 80-kWh-Batterie, die für bis zu 80 Kilometer reicht. Die Logistikfirma NCC hofft so im Vergleich zu einem Diesel-LKW trotz höherer Anschaffungskosten pro Jahr rund 60.000 bis 70.000 Euro einsparen zu können. Dazu kommt der Klimavorteil: E-LKW verursachen rund 90 Prozent weniger CO2-Ausstoß als Diesel-Laster. Neben der möglichen Stromversorgung ein wesentlicher Grund, warum Vattenfall Projektpartner der E-Road Arlanda ist. Denn der Konzern will innerhalb einer Generation komplett CO2-frei werden. 

Deutsch-schwedische Stromachse 

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Elektrifizierungspläne auf deutschen Straßen

 

Auch in Deutschland besteht Interesse an solchen E-Straßen. Regierungsvertreter aus Deutschland und Schweden unterzeichneten Anfang 2017 ein gemeinsames Forschungsabkommen zur Elektrifizierung des LKW-Güterverkehrs. Dabei geht es um Strategien für die länderübergreifende Elektrifizierung des europäischen Ferngüterverkehrs. Die beteiligten Forschungsteams sollen alle Möglichkeiten bewerten, mit denen Schwerlastfahrzeuge während der Fahrt mit Strom versorgt werden können. Dazu zählen neben Oberleitungen und Stromschienen auch Induktionssysteme, die die Akkus der Laster während der Fahrt elektromagnetisch aufladen - eine Technologie, die Vattenfall zumindest im Buslinienverkehr ebenfalls in Schweden bereits erprobt.

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