Die Zukunft des Fliegens: Wie die Luftfahrt fossilfrei wird
Der Drang, die entlegensten Winkel der Erde zu erkunden, ist so alt wie die Menschheit. Aber unsere Reiselust ist mit erheblichen Umweltkosten verbunden. Von Elektroflugzeugen über Biokraftstoffe bis hin zu Wasserstoff und E-Fuels arbeitet die Luftfahrtindustrie daran, nachhaltigere Wege einzuschlagen.
Der Luftverkehr ist für rund 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Und abgesehen von einer spürbaren Delle während der COVID-19-Pandemie steigen die Emissionen.
Der Luftverkehr sowie einige andere Sektoren wie die Schifffahrt und die Stahlindustrie gelten als besonders schwer dekarbonisierbar, das heißt deren Emissionen sind besonders schwierig zu beseitigen. Es tut sich jedoch Vielversprechendes, sowohl technisch als auch im Hinblick auf neue rechtliche Rahmenbedingungen.
„Wir sehen gerade, dass fossilfreier Strom eine sehr wichtige Rolle bei der Reduktion der Emissionen auch in den Sektoren spielen kann, wo dies schwer möglich ist, und wir müssen auch diese Branchen dekarbonisieren, weil ein so großer Teil der Emissionen daraus stammt“, erklärt Mikael Nordlander, Director Industry Decarbonisation bei Vattenfall.
Für Flüge ohne fossile Kraftstoffe gibt es in der Hauptsache vier Lösungswege: Wasserstoff, Biokraftstoffe, E-Fuels und Batterien.
Biokraftstoff
Am leichtesten verfügbar ist Biokraftstoff. Um wie viel sich durch diesen Kraftstoff Emissionen reduzieren lassen, kann jedoch je nach Ausgangsstoff und Herstellungsart variieren. Daher haben sich Vattenfall und seine Partner der First Movers Coalition verpflichtet, Biokraftstoffe zu unterstützen, die die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Kerosin um 85 Prozent oder mehr reduzieren.
Rohstoffe wie Stroh oder Altspeiseöl, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen, sind dabei die nachhaltigste Wahl. Das Problem: Biokraftstoffe können zwar Bestandteil einer Kraftstoffmischung und damit Teil der Lösung sein, aber es kann einfach nicht genug Biomasse nachhaltig produziert werden, um fossile Kraftstoffe zu ersetzen.
Batterien
Eine weitere Möglichkeit ist das batteriebetriebene Elektroflugzeug. Auf der rund 200 Kilometer langen Strecke zwischen der schwedischen Insel Gotland und der Hauptstadt Stockholm soll bereits 2028 die erste elektrische Linienflugverbindung des Landes eingerichtet werden. Zu diesem Zeitpunkt will auch das schwedische Unternehmen Heart Aerospace sein 30-sitziges Flugzeug ES-30 erstmals zum Einsatz bringen. Passenderweise soll es bei Erstinbetriebnahme eine rein elektrische Reichweite von 200 Kilometern haben.
Die Reichweite ist der größte limitierende Faktor bei Flugzeugen, die mit Batteriestrom fliegen. Für leichte Kurzstreckenflüge sind sie gut geeignet, aber für längere Flüge mit mehr Last werden andere Energiequellen benötigt. Hier kommen Wasserstoff und E-Fuels ins Spiel.
Wasserstoff
Sie sind noch nicht kommerziell als Flugkraftstoffe erhältlich, werden aber als wichtigste Optionen für Langstreckenflüge in der Zukunft gesehen, möglicherweise – im Fall der E-Fuels – in Kombination mit Biokraftstoffen.
Die Herstellung von Wasserstoff ist auf verschiedenen Wegen möglich und noch größer ist die Vielfalt der Optionen bei E-Fuels. Im Grunde genommen wird fossilfreier Wasserstoff durch die Spaltung von Wasser mittels Elektrolyse mit fossilfreiem Strom erzeugt. Der Wasserstoff lässt sich dann in Gasturbinen oder in Brennstoffzellen verwenden, die die chemische Energie wieder in Strom umwandeln.
Bereits 1989 baute die russische Firma Tupolev das erste Wasserstoffflugzeug, das mit gasförmigem Wasserstoff betrieben wurde. Wasserstoff kann aber auch bis zu einer Temperatur von -253 °C oder mehr heruntergekühlt und in flüssiger Form gespeichert werden, was weniger Platz benötigt.
Eine der größten Herausforderungen bei Wasserstoff besteht darin, dass eine neue Infrastruktur benötigt wird, sowohl für die Flugzeuge selbst, als auch für die Lagerung, das Betanken und so weiter. Vattenfall arbeitet gemeinsam mit dem Flugzeughersteller Airbus und anderen an der Wasserstoffinfrastruktur auf Flughäfen in Schweden und Norwegen.
Wasserstoff hat zwar im Verhältnis zum Gewicht eine hohe Energiedichte, aber eine niedrige Energiedichte im Verhältnis zum Volumen, auch in flüssiger Form. Das bedeutet, dass die gleiche Energiemenge mehr Platz benötigt als im Fall anderer Kraftstoffe. Airbus prüft daher beispielsweise unter anderem die Möglichkeit, Wasserstoff in riesigen Tragflächen zu lagern.
E-Fuels
Die Entwicklung und Beschaffung eines neuen Flugzeugtyps ist ein langwieriger Prozess, und es ist nicht damit zu rechnen, dass Wasserstoffflugzeuge innerhalb des nächsten Jahrzehnts abheben werden. Wird Wasserstoff jedoch mit abgeschiedenem Kohlenstoff kombiniert, entstehen flüssige E-Fuels.
Der abgeschiedene Kohlenstoff (CO2) könnte beispielsweise aus einer Fernwärmeanlage stammen, die mit forstwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Baumstümpfen, Baumkronen und Ästen betrieben wird, anstatt dass er in die Luft freigesetzt wird. Der dann vom Flugzeug emittierte Kohlenstoff wird mit der Zeit von neu wachsenden Bäumen wieder aufgenommen. Auch das bei der Herstellung von Biogas oder Ethanol abgeschiedene CO2 könnte genutzt werden.
Eine weitere Möglichkeit ist die direkte Luftabscheidung, dass heißt das Absaugen von CO2 direkt aus der Luft. In diesem Fall ist der Kreislauf fast sofort geschlossen. Doch je niedriger die Kohlendioxidkonzentration, desto mehr Energie ist zur Abscheidung erforderlich, und desto höher sind die Kosten. Der CO2-Gehalt der Luft liegt derzeit bei etwa 420 ppm, also 0,042 Prozent. Höher als je zuvor und steigend, aber immer noch ein sehr geringer Anteil im Vergleich zu den anderen Prozessen.
E-Fuels haben viele Vorteile. Mit der richtigen Rezeptur können sie mit Biokraftstoffen aus fossilem, herkömmlichem Kerosin gemischt werden. Auch ein Betrieb allein mit E-Fuel ist möglich, ohne dass dabei Änderungen am Flugzeug oder an der Infrastruktur nötig sind. Wie bei Wasserstoff lässt sich auch davon mehr produzieren, wenn die Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne auf Hochtouren läuft und die Preise daher niedriger sind.
E-Fuels um 2030 möglich
„Ich denke, dass wir die ersten Flugzeuge mit E-Fuel als Kraftstoff – zumindest auf Testflügen – bereits um 2030 in der Luft sehen werden“, sagt Mikael Nordlander. E-Fuels und andere fossilfreie Alternativen erhielten vor kurzem auch einen wichtigen regulatorischen Impuls: Letztes Jahr verabschiedete die EU die Luftfahrtinitiative RefuelEU. Die Verordnung fordert einen Mindestanteil an „nachhaltigen Flugkraftstoffen“ (SAF) ab 2025, zu denen auch zertifizierte Biokraftstoffe gehören, und einen Mindestanteil an synthetischen Kraftstoffen beziehungsweise E-Fuels ab 2030. Beide prozentualen Anteile nehmen bis 2050 schrittweise zu. Die Kraftstofflieferanten müssen 2025 zwei Prozent SAF, 2030 sechs Prozent SAF und 70 Prozent SAF im Jahr 2050 in ihre Angebote integrieren. Ab 2030 müssen 1,2 Prozent der Kraftstoffe synthetische Kraftstoffe sein. Diese Quote steigt bis 2050 auf 35 Prozent an.
Alle diese Lösungen sind jedoch teurer als Kerosin auf fossiler Basis, und die Kraftstoffkosten machen etwa 20-30 Prozent der Gesamtausgaben der Fluggesellschaften aus. Wenn die Kosten jedoch gleichmäßig auf alle Fluggäste umgelegt werden, wie es nach den EU-Vorschriften zur Mindestbeimischung vorgesehen ist, müssen die Preise nicht so stark steigen und werden mit der Zeit sinken, ist Mikael Nordlander überzeugt.
Vor allem aber werden die fossilen Kraftstoffe in ihrer jetzigen Form stark subventioniert: Die von diesen verursachten Schäden sind darin nicht eingepreist, sagt er. „Es gibt Studien, die besagen, dass bis zum Jahr 2050 etwa ein Fünftel der Weltwirtschaft durch Klimaschäden zerstört sein wird, wenn wir so weitermachen wie bisher. Fossile Kraftstoffe werden diese Rechnung nicht bezahlen.“
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