Rückenwind im Algengeschäft

Es wird erwartet, dass sich der europäische Markt für Algenprodukte binnen weniger Jahre verzehnfachen wird. In Dänemark gehört Algenzüchter Mads Hecter zu den Pionieren, die sich jetzt auf diese Boomzeiten einstellen.

Algen – mehr als ein Nahrungsmittel

Hier sind 10 Beispiele, wofür sich Algen eignen:

  1. Lebensmittel – Snacks, Sushi, Gewürze; Boom auf pflanzenbasierten Märkten.
  2. Kosmetika – Verwendung in Cremes, Shampoos und Hautpflegemitteln als natürliche Bioaktivstoffe.
  3. Hydrokolloide – Verdickungsmittel (Carrageen, Agar, Alginat) in Lebensmitteln und Pharmazeutika.
  4. Biostimulanzien – Natürliche Düngemittel für die biologische und regenerative Landwirtschaft.
  5. Tierfutter – Verringert die Methanbildung in der Tierhaltung; fördert die Darmgesundheit.
  6. Nutraceuticals – Nahrungsergänzungsmittel, die reich an Jod, Ballaststoffen und Antioxidantien sind.
  7. Biokunststoffe – Nachhaltige Verpackungen und Alternativen für den Einmalgebrauch.
  8. Pharmazeutika – Für die Wundversorgung, die Verabreichung von Medikamenten und antivirale Mittel.
  9. Biokraftstoffe – Eine potenzielle saubere Energiequelle (noch im Anfangsstadium).
  10. Aquakultur – Reinigt das Wasser und erhöht den Mehrwert von Fisch- und Muschelzuchtanlagen.

Während Algen in der asiatischen Küche seit Langem eine beliebte Zutat sind – am bekanntesten sind vielleicht Sushi und andere kulinarische Köstlichkeiten Japans –, hinken Europa und andere Teile der Welt beim Algenkonsum noch hinterher. Doch das wird sich bald ändern.

Auf Europa entfällt bisher nur ein Bruchteil der Gesamtproduktion in der Welt – das Potenzial ist somit riesig. Das Bündnis „Seaweed for Europe“ schätzt, dass die europäische Nachfrage nach Meeresalgen von rund 270.000 Tonnen im Jahr 2019 auf 8 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen und einen Wert von 9 Milliarden Euro erreichen könnte. Nicht nur entstünden Zehntausende von Arbeitsplätzen, die Algenzucht würde auch dazu beitragen, den Meeren Europas jährlich Tausende Tonnen Phosphor und Stickstoff zu entziehen, bis zu 5,4 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr abzumildern und den Druck auf landseitige Ressourcen zu verringern.

Dänischer Pionier

Einer der Erzeuger, die diese Entwicklung voranbringen, ist Mads Hecter, Eigentümer von Kerteminde Seafarm in Dänemark. Er gründete sein Unternehmen im Jahr 2018 und besitzt eine 19 Hektar große Farm in der Bucht von Kerteminde. „Als ich anfing, war ich in Dänemark einer der Ersten. Inzwischen wächst das Interesse an der regenerativen Meeresbewirtschaftung, und es gibt immer mehr Betriebe, die Meeresalgen züchten. Einige Fischer planen zum Beispiel, den Fischfang mit der Algenzucht zu kombinieren.“

 Mads Hecter, inmitten von Algen

Mads Hecter, Eigentümer von Kerteminde Seafarm in Dänemark

Die Branche steckt noch in den Kinderschuhen, und es fehlen noch Teile der Wertschöpfungskette, etwa gute Anlagen zum Trocknen der Algen in Dänemark. Eine weitere kritische Lücke: Anlagen, in denen sich Algen zu hochwertigen Verbindungen für Lebensmittel, Futtermittel, Kosmetika und biobasierte Materialien verarbeiten lassen. Somit bleibt ein Großteil des Potenzials der Algen bisher ungenutzt. Damit das Geschäft nachhaltig funktioniert, muss es nun vorrangig darum gehen, solche Lücken in der Wertschöpfungskette zu schließen. Ferner braucht es klare Vorschriften und gestraffte Genehmigungsverfahren, damit die Branche wachsen kann.

Die Algenzucht im Meer ist zweifellos eine großartige Idee. Diese Form der regenerativen Aquakultur benötigt weder Süßwasser noch Düngemittel. Das Endprodukt ist nahr- und schmackhaft und eignet sich für ein breites Spektrum von Anwendungen – von Lebensmitteln bis hin zu biobasierten Chemikalien und Arzneimitteln. Und gut für die Umwelt ist es überdies, denn es wirkt der Ozeanversauerung – die Algen nehmen Kohlendioxid aus dem Wasser auf – und, durch den Verbrauch von Nährstoffen, der Eutrophierung entgegen. Durch Aquakultur verbessert sich potenziell auch die Artenvielfalt im Meer, da sie Lebensraum für Fische und Wirbellose bietet.

„Ich könnte mir vorstellen, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauert, bis sich hier ein nachhaltiges Geschäft mit Meeresalgen entwickelt“, sagt Hecter. „Kurzfristig glaube ich nicht, dass Algen in unserem Teil der Welt als Nahrungsmittel der wichtigste Einsatzbereich sein werden, wie es in Asien der Fall ist. Ich denke, es wird dauern, bis sich die Gewohnheiten ändern und die Lebensmittelindustrie sich entscheidet, entsprechende Produkte zu entwickeln. Aber Algen können als Rohstoff für so viele andere Branchen dienen. Ich glaube, dass Bioraffinerieverfahren für Algen essenziell wichtig sind, um hochwertige Produkte zu gewinnen und gleichzeitig das Marktpotenzial algenbasierter Anwendungen zu erhöhen.“

Ein kombinierter Algen- und Windpark

Die EU setzt große Erwartungen in die Algenzucht und finanziert über ihren Innovationsfonds Horizont Europa verschiedene Projekte. Kerteminde Seafarm, das Unternehmen von Mads Hecter, ist Teil von Win@Sea, einem Projekt, an dem die Universität Aarhus und andere in Kooperation mit dem Energieunternehmen Vattenfall beteiligt sind. Es zielt darauf ab, Methoden für den Anbau von Algen und Muscheln an Leinen in Windparks zu testen und zu entwickeln. Hecter erklärt, dass es – im Vergleich zu dem Ort, an dem der größte Teil seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit stattfindet – keinige klare Vorteile hat, tiefere Gewässer zu bewirtschaften:

„In flachen Küstengewässern stammen die Nährstoffe hauptsächlich vom Land. Im Winter werden diese Nährstoffe durch verstärkte Regenfälle ins Meer gespült, was das Algenwachstum fördert. Mit der Zeit erschöpfen sich die verfügbaren Nährstoffe jedoch. Im Frühjahr, wenn die Niederschläge weniger werden und die Sonneneinstrahlung zunimmt, ist der Nährstoffgehalt zu gering, und die Algen wachsen langsamer oder gar nicht mehr.“

Vor der Küste, innerhalb des Windparks, gebe es mehr natürliche Nährstoffe im Wasser, so dass der Verlauf stabiler sei, vor allem im Frühjahr:

„Das bedeutet, dass wir die Wachstumsperiode um ein bis zwei Monate verlängern können. Außerdem lassen sich durch die Zusammenarbeit mit den Servicetechnikern von Vattenfall im Windpark Synergien schaffen. Wenn sie zu Wartungszwecken zu den Turbinen hinausfahren, können sie zum Beispiel gleich auch unsere Leinen überprüfen, an denen Algen wachsen. Wir ziehen am selben Strang: Es geht um die nachhaltige Erzeugung von Strom und Nahrungsmitteln.“

Mit Unterstützung von Hollywood im Rampenlicht

In diesem Sommer hat Vattenfall dieses Ziel und diese Ambition in den Fokus der Medien gerückt. Im August wurde eine groß angelegte Medienkampagne über die Vorzüge eines kombinierten Windkraft- und Algengeschäfts gestartet. Die Kampagne mit Schauspielikone Samuel L. Jackson lenkt hoffentlich die dringend benötigte Aufmerksamkeit darauf, was möglich ist, wenn Offshore-Windparks an den europäischen Küsten auch für die Algenzucht genutzt würden.

„Ich erhoffe mir, dass dadurch bekannter wird, welche großen Vorteile und Potenziale die Algenzucht bietet, und dass die Aktion dazu beiträgt, die Industrie an Bord zu holen und das Interesse an Algenprodukten zu wecken. Für mein eigenes Unternehmen wäre es toll, wenn diese Aufmerksamkeit zum Beispiel zu neuen Kooperationen und Absatzchancen führen würde.“

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