Tanzende Schaumstoffstäbe schützen Fische

Es war bisher immer eine Herausforderung, Fische unbeschadet an Wasserkraftwerken vorbeizuleiten. Nun wird eine Lösung getestet, bei der tanzende Stäbe aus wasserfestem Zelluloseschaum Fischen den Weg weisen.

Das Labor in Älvkarleby

Im Labor in Älvkarleby entwickelt die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Vattenfall seit über 80 Jahren neue Technologien. Ihre Kernaufgabe war zunächst die Modellierung von Wasserkraftwerken und Staumauern zur Verbesserung der Dammsicherheit. Heute wird dort eine spezialisierte Forschung und Entwicklung für alle Energiesektoren betrieben. Der Schwerpunkt liegt auf einer intelligenten Elektrifizierung, modernen Digitalisierung und der Senkung der CO2-Emissionen sowie auf Biodiversitätsfragen, unter Einsatz von Drohnen, Robotern, KI, digitaler Modellierung und Feintechnik. 

Der Laxelerator gehört zum Älvkarleby-Labor und ist ein Flussaquarium, in dem sich Fische in fließendem Gewässer beobachten lassen. Die Anlage ist als eine Art Einlasskanal in kleinem Maßstab konstruiert. Der Laxelerator ist in zwei parallelen Abschnitten angeordnet, die 2 Meter tief, 25 Meter lang und insgesamt 4 Meter breit sind. Dort wird das Wanderungsverhalten von Fischen getestet.

Im Labor von Vattenfall im schwedischen Älvkarleby wird auf einer Reihe von Gebieten im Bereich der Energieerzeugung geforscht. Eine der großen Hallen beherbergt den Laxelerator („lax“ ist das schwedische Wort für Lachs), eine Versuchsanlage mit zwei 24 Meter langen und 2 Meter tiefen Becken. Darin wird das Verhalten von Fischen in fließendem Gewässer untersucht. Entwicklungsingenieure und Entwicklungsbiologen arbeiten daran, Lachse und andere Fische dazu zu bringen, ihren Weg an Wasserkraftwerken vorbei zu finden. 

Der Laxelerator im Älvkarleby-Labor. In diesem Flussaquarium lassen sich Fische in fließendem Gewässer beobachten.

Derzeit werden im Labor mit Erfolg Reihen tanzender Stäbe aus Schaumstoff erprobt. Diese Tests zeigen, dass die Smolts, das sind etwa 15 Zentimeter lange Lachse, die flussabwärts zum Meer wandern, die Stäbe als Hindernis wahrnehmen und nicht durch diese hindurch schwimmen, sondern ihnen ausweichen. Stattdessen folgen die Fische der Reihe tanzender Stäbe. So lassen sie sich entlang eines sicheren Weges führen, vorbei an der Wasserzuleitung zum Kraftwerk.

Die konventionellste Methode, um zu verhindern, dass Fische in die Turbinen von Kraftwerken geraten, sind Gitterroste. Diese verlangsamen jedoch den Wasserstrom – wodurch die Stromerzeugung sinkt. 

„Wir haben bereits mit guten Ergebnissen verhaltenslenkende Maßnahmen wie Blasenschleier getestet, suchten aber nach einer Lösung, die keine aufwändige Installation oder große Energieeinsätze erfordert. Also haben wir uns von Seetang inspirieren lassen und hatten die Idee, dass sich lange Schaumstoffstäbe eventuell ähnlich verhalten, nämlich sich in der Wasserströmung bewegen und tanzen – und dadurch die Fische abschrecken“, erklärt Karolina Carlström, Ingenieurin in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Vattenfall, die für die Studien verantwortlich ist.

Es soll dabei jedoch auch verhindert werden, dass Mikroplastik in die Flüsse gelangt. Daher wurde die technische Universität Kungliga Tekniska Högskolan (KTH) in Stockholm involviert. Jowan Rostami, Forscherin und Doktorandin auf dem Gebiet der Faser- und Polymertechnologie forscht über biobasierte Aerogele, ein schwammartiges poröses Material, das aus Zellulosefasern hergestellt wird. In Zusammenarbeit mit Vattenfall hat sie in ihrem Start-up-Unternehmen Cellufy einen wasserfesten Schaumstoff auf Zellulosebasis entwickelt.

Jowan Rostami, CEO und Gründerin von Cellufy, Foto: Johan Gunséus Vikdahl

„Die Herausforderung bestand darin, das Material nassstabil, damit sich die Stäbe im Wasser nicht auflösen, biegsam, damit sie sich bewegen, und auftriebsfähig, damit sie im Wasser aufrecht bleiben, zu machen. Viele haben schon versucht, ein solches nassstabiles biobasiertes Material mit Auftrieb zu entwickeln, und es ist vor allem der Unterstützung von Vattenfall zu verdanken, dass wir damit Erfolg hatten. Wir sehen eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten für das neue Material“, sagt  Jowan Rostami. Sie hat inzwischen zwei Patente im Zusammenhang mit dieser Innovation angemeldet. 

Henrik Viklands, bei Vattenfall für das Biodiversitätsprogramm für Wasserkraftwerke zuständig, ist der Meinung, dass die tanzenden Stäbe ein Durchbruch sein könnten, da die Technologie so einfach umsetzbar ist. „Ich sehe ein enormes Einsatzpotenzial für diese Technologie. Die Stäbe verlangsamen den Wasserstrom nicht, es kommt daher zu keinen Einbußen bei der Stromerzeugung, und sie schaden weder den Turbinen noch der Natur. Wenn ein Stab bricht oder sich löst, wird er natürlich abgebaut. Auch die Wartung ist einfach: Wenn ein Stab kaputt geht, wird einfach ein neuer eingesetzt.

Die nächste Phase beginnt

Cellufy

Cellufy ist ein Deeptech-Unternehmen mit einer Vision von Nachhaltigkeit durch biobasierte Materialien für neue und bestehende Anwendungsbereiche. 

Mehr auf der Website von Cellufy

Der nächste Schritt besteht darin, die Rezeptur des Materials weiter anzupassen und dessen hydraulische Eigenschaften zu optimieren, damit die Stäbe den richtigen Auftrieb und die richtige Dicke und Länge haben. Verschiedene Stellen sind inzwischen auf die innovativen Materialien von Cellufy aufmerksam geworden, und das Projekt erhielt kürzlich den Zuschlag für Fördergelder des staatlichen schwedischen Innovationsfonds Vinnova.

„Letztlich hoffen wir, in Zusammenarbeit mit Cellufy Stäbe zu entwickeln, mit deren Aussehen und Bewegung es gelingt, die Fische in Gewässern, in einem breiten Spektrum von Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefe, umzulenken. Das Material hat auch großes Potenzial für den Einsatz in anderen Projekten innerhalb unseres Biodiversitätsprogramms. „Dank der erfolgreichen Ergebnisse, die Cellufy im vergangenen Jahr erzielte, haben wir eine neue Anwendungsmöglichkeit erkannt: Wir denken, dass sich das Material für den Bau schwimmender Inseln eignet, auf denen Vögel in unseren Wasserreservoirs nisten können“, sagt Karolina Carlström. „Wenn alles passt und das Ergebnis unseren Erwartungen entspricht, könnte dies eine bahnbrechende Lösung sein. Die Nutzung erneuerbarer Ressourcen aus der Forstwirtschaft bei gleichzeitiger Lösung der Herausforderung der Fischwanderung und der Artenvielfalt ist ein Gewinn für viele Seiten.“

 

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