Vom Reden ins Handeln: Klimagespräche in ungezwungenem Rahmen
Aus HållBAR, einem gut besuchten After-Work-Event, gehen Taten hervor. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten kommen zu Gesprächen zum Thema Klima zusammen, um Ideen auszutauschen, mit Mythen aufzuräumen und neue Partnerschaften für eine nachhaltige Zukunft zu schließen. Der Ort: die Stadshallen im schwedischen Lund. Hier entsteht aus zwanglosen Gesprächen echte Veränderung – mit jedem Mal ein bisschen mehr.
Die Stadshallen in Lund in Südschweden hallt wider vom lebhaften Gespräch diskutierender Menschen. An den vielen Stehtischen werden eifrig Fragen gestellt, etwa „Wie können Durchschnittsmenschen die Klimaziele erreichen, wenn Großunternehmen sich ihrer Verantwortung entziehen?“, „Was kann ich als Einzelner tun, um die Stadt nachhaltiger zu machen?“ und „Oh, du arbeitest auch mit Recycling? Wollen wir uns zusammentun?“
Es ist Freitag. Kurz nach Feierabendbeginn haben sich rund hundert Menschen versammelt, um über ihr gemeinsames Anliegen zu reden: den Klimaschutz. Sie sind hier, weil sie mehr darüber erfahren wollen, was sich aktuell beim Thema Klima tut, um Partner für die Zusammenarbeit im Klimabereich zu finden oder um ihre Besorgnis über das langsame Tempo der Veränderungen zum Ausdruck zu bringen. Keine Frage ist zu groß oder zu klein, alles lässt sich an diesem Abend mit den Tischnachbar:innen teilen. Die Veranstaltung ist kostenlos und steht allen offen.
Mira Norrsell, Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategin der Stadt Lund ist Initiatorin und Moderatorin der Veranstaltung, sie erklärt:
„Es ist ein unpolitisches, gemeinnütziges Forum, das Menschen zusammenbringt, um über ein nachhaltigeres Leben und die Anpassung an den Klimawandel zu sprechen. Es wird besonders als Ort geschätzt, an dem sich darüber diskutieren lässt, wie wir gemeinsam handeln können. Hier treffen sich Wirtschaftslenker, Privatpersonen und Politiker als Gleichgesinnte außerhalb der Arbeit.“
Das Konzept namens HållBAR* begann ganz bescheiden im Jahr 2020: Damals schickte Mira Norrsell eine E-Mail an einige Kolleg:innen, die sich in Lund mit Fragen der Nachhaltigkeit beschäftigen. Die Idee war, zusammenzuarbeiten, anstatt jeder für sich. Sie trafen sich in einer Kneipe in Lund. Es kamen etwa dreißig Leute. Die Veranstaltung wurde durch Mundpropaganda schnell bekannt und die Nachfrage nach weiteren Treffen stieg. Die Pandemie führte zu einem plötzlichen Abbruch, aber als die Beschränkungen für Versammlungen in Schweden 2022 aufgehoben wurden, verlegte Mira HållBAR in die Stadshallen von Lund, die sich nun durch das Event regelmäßig mit circa hundert Personen füllt.
Warum sollte man auf einem After-Work-Event Klimafragen diskutieren?
„Es ist ein unprätentiöser Rahmen. Es ist einfach und es macht Spaß. Einige hören sich nur den Eröffnungsvortrag an, aber wer länger bleibt, kommt ins Gespräch. Ich kenne viele, die dank dieser Veranstaltung neue Partner gefunden haben, die sich für Umwelt und Klima einsetzen. Man soll das Gefühl bekommen, dass man etwas Konkretes und Wichtiges für das Klima tun kann“, erklärt Mira.
Jedes Treffen verläuft nach einem ähnlichen Muster: Es beginnt um 17 Uhr mit einer halbstündigen Podiumsdiskussion oder einem Vortrag zu einem Thema, häufig gemeinsam mit Forschenden der Universität Lund organisiert. Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu unterhalten, und es gibt Speisen und Getränke. Künstliche Intelligenz, biologische Vielfalt, die Sharing Economy und die Inner Development Goals (IDG) – das sind einige der Themen, die bereits behandelt wurden. Gelegentlich gibt es sogar Stand-up-Comedy zum Thema Nachhaltigkeit.
Das Hauptziel von HållBAR ist es, Hoffnung zu wecken, erklärt Mira.
„Unsere unpolitische Haltung ist ein Pluspunkt, denn das bedeutet, dass niemand durch eine bestimmte Agenda eingeengt wird oder sich an diese halten muss. Wir konzentrieren uns ausschließlich auf das, was wichtig ist, fördern die Zusammenarbeit und schaffen neue Partnerschaften für nachhaltige Lösungen. Wer aktiv und informiert ist, hat einen bewussteren Zugang zum Thema und ist weniger ängstlich – und das ist konstruktiver."
Wissensaustausch und sachliche Informationen über das Klima räumen mit hartnäckigen Mythen auf. Wie wichtig das ist, zeigt, dass immer mehr Menschen auf diese Weise unnötige Sorgen und Resignation überwinden können. So hat beispielsweise ein aktueller Bericht von Fossil Free Sweden gezeigt, dass viele Schweden überzeugt sind, dass die Treibhausgasemissionen in der EU zunehmen. In Wirklichkeit sind sie aber zwischen 1990 und 2021 um 30 Prozent zurückgegangen. Auch der Glaube, dass Batterien für Elektrofahrzeuge unerschwinglich sind, ist nach wie vor weit verbreitet, dabei sind sie heute um 90 Prozent billiger als noch 2010.
Wer aktiv und informiert ist, hat einen bewussteren Zugang zum Thema und ist weniger ängstlich – und das ist konstruktiver.
Eine Studie des Yale Program on Climate Change Communication ergab, dass Menschen, die mindestens einmal im Monat über die globale Erwärmung sprechen, sich politisch wirksamer fühlen. Dies ist als das Vertrauen der Bürger in ihre Fähigkeit definiert, auf die Regierung und politische Themen Einfluss zu nehmen. Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit ist für eine gesunde Zivilgesellschaft unerlässlich.
Die wachsende Popularität der Climate Cafés, die Jess Pepper nach ihrer Teilnahme an Al Gores Climate Reality Project 2015 ins Leben rief, zeigt, dass der Wunsch nach und der Bedarf an Diskussionen über den Klimawandel groß sind. Sie begann in ihrer Heimatstadt in Schottland und schuf dort eine informelle Plattform für Gemeindemitglieder, die sich bei einer Tasse Tee und Keksen treffen konnten. Inzwischen ist es eine globale Bewegung, die auf internationalen Klimagipfeln wie COP26 und COP28 präsent ist.
Mira Norrsell hatte mehr oder weniger das gleiche Ziel wie Pepper, nur entschied sie sich statt Tee und Keksen für ein After-Work-Format, das genauso gut ankam – die starke Nachfrage spricht für sich.
„Die Leute fragen bereits: Wann ist der nächste Termin? Es ist inzwischen ein geschätzter Ort der Begegnung und des Gemeinschaftsgefühls geworden, wenn die Klimaproblematik für einzelne Personen zu beängstigend erscheint.“
*HållBAR, ein Wortspiel mit dem schwedischen Wort für Nachhaltigkeit, wobei „bar“ bedeutet, wonach es klingt ... genau, eine Bar!
Digital Summit
Erfahren Sie mehr über die Veranstaltung,
die Redner und die Anmeldung
Abonnieren Sie den Newsletter THE EDIT
THE EDIT ist der monatliche Newsletter von Vattenfall. Jede Ausgabe beleuchtet ein neues Thema aus der Welt der nachhaltigen Energie und der Fossilfreiheit.