Von Gigabytes zu Megawatt: Darum ist Restwärme ein heißeres Thema denn je
Die Ressourcen unserer Erde sind nicht unendlich. Daher könnte es immer wichtiger werden, die Restwärme von Orten wie U-Bahn-Stationen und Rechenzentren zu nutzen.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur wird die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs dafür verwendet, Gebäude zu beheizen. Die Agentur prognostiziert ferner, dass sich die Menge nachhaltig erzeugter Wärme bis 2030 verdoppeln muss, damit die globale Durchschnittstemperatur nicht über das UN-Ziel von 1,5 Grad Celsius steigt.
Ein Teil der Lösung kann sein, die von Menschen und Maschinen auf natürliche Weise erzeugte Wärme besser zu nutzen. Wie lässt sich diese Wärme am effizientesten nutzen? In Europa und den USA gibt es eine Reihe von Projekten, bei denen die Abwärme von Orten, an denen sich viele Menschen aufhalten – Einkaufszentren, Bahnhöfe und U-Bahnen – wiederverwendet wird, um nahe gelegene Büros, Wohnungen und sogar Krankenhäuser zu heizen.
Parallel zu diesen Projekten – und mit vielleicht noch größerem Potenzial – wird die Abwärme von Rechenzentren und Serverhallen zunehmend in Fernwärmenetzen und in industriellen Prozessen genutzt. Die Analysen der IEA zeigen, dass Rechenzentren mit Stand 2022 schätzungsweise zwischen 240 und 340 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr verbrauchen, was etwa 1-1,3 Prozent des weltweiten Strombedarfs entspricht. Darin ist das Mining von Kryptowährungen, das den Energieverbrauch in der digitalen Infrastrukturlandschaft in eine neue Dimension bringt, noch nicht enthalten.
Fortschritt durch Anforderungen auf EU-Ebene
Mattias Vesterlund, Research Data Specialist bei Research Institutes of Sweden (RISE) und dem ICE Data Center im nordschwedischen Luleå, sieht in der Rückgewinnung von Restwärme aus Rechenzentren und anderen wärmeerzeugenden Vorgängen großes Potenzial für den Aufbau einer Kreislaufgesellschaft.
Die Politik auf EU-Ebene befasst sich nun ebenfalls mit diesem Thema und er glaubt, dass sich die Restwärmenutzung dadurch weiter durchsetzen wird. Da Rechenzentren derzeit etwa 2 Prozent des weltweiten Strombedarfs ausmachen, unternimmt die Europäische Kommission weitere Schritte, damit größere Rechenzentren ihre Nutzung der Restwärme offenlegen müssen.
„Derzeit gibt es keinen festen Wert dafür, wie viel Restwärme recycelt werden sollte, aber ich bin überzeugt, dass in naher Zukunft Vorgaben eingeführt werden. Es wird dann verstärkt Bemühungen geben, weitere Anwendungsfälle für die Restwärmenutzung zu finden“, sagt Vesterlund.
Herausfordernd ist die Frage, wie die Verantwortung aufgeteilt werden soll, wenn Recyclingsysteme eingerichtet werden. Die Übertragung von Restwärme erfolgt immer zwischen einem Lieferanten (Rechenzentrum) und einem Empfänger, bei dem es sich um eine Industrieanlage, ein Fernwärmenetz oder ein Gewächshaus für die Lebensmittelproduktion handeln kann. Es ist wichtig, die Systemgrenzen klar zu definieren, da sonst die Gefahr besteht, dass die Akteure nicht wissen, wofür sie verantwortlich sind.
„Bei Rechenzentren haben wir festgestellt, dass unter Umständen nicht geklärt ist, wem die Technologie gehört, mit der Wärme übertragen wird. Dem Eigentümer des Rechenzentrums oder dem Empfänger der Wärme? Es gibt beim Thema Restwärme viele Geschäftsmöglichkeiten für Rechenzentren. Die Frage, die sich oft stellt: Wem gehört die Technik, mit der die eigentliche Wärmeübertragung stattfindet?“, sagt Vesterlund.
Umfassende Lösungen in der Planungsphase
Ein Akteur auf dem Markt ist das EcoDataCenter. Es baut bereits Systeme zur Wiederverwendung von Restwärme. Das Unternehmen errichtete 2019 in Zusammenarbeit mit Falu Energi & Vatten sein erstes Rechenzentrum in Falun in Mittelschweden. Schon früh wurde geplant, das komplett fossilfreie Rechenzentrum direkt neben einem Holzpelletwerk zu bauen, um die überschüssige Wärme für den Trocknungsprozess dort nutzen zu können.
Durch wiederverwendete Restwärme konnten die Partner von EcoDataCenter ihre Kohlendioxidemissionen bis 2023 um 165 Tonnen reduzieren (zwei Tonnen mehr als 2022), und das Unternehmen sucht nun nach neuen Kooperationen, um die Restwärme noch effizienter zu nutzen.
John Wernvik, Chief Marketing Director bei EcoDataCenter, hält es für sinnvoll, dass von Anfang an auf eine ganzheitliche Lösung gesetzt wurde.
„Der Grundgedanke war simpel: Wo sollte unser Rechenzentrum stehen, damit vom System her möglichst viele Beteiligte profitieren? In Falun konnten wir es in der Nähe eines Pelletwerks errichten, und bei unserer Anlage in Stockholm wird die Wärmerückgewinnung zur Versorgung des Fernwärmenetzes genutzt“, erklärt Wernvik.
Verantwortungsübernahme durch alle Beteiligten
Für möglichst effiziente Wärmerückgewinnungssysteme müssen die beteiligten Unternehmen möglichst nahe beieinander liegen, um den Wärmeverlust zwischen ihnen zu minimieren. Wenn bereits in der Planungsphase berücksichtigt wird, wie die Restwärme später genutzt werden soll, ist es auch einfacher, die Temperaturniveaus zwischen verschiedenen Standorten „anzugleichen“, damit möglichst wenig verloren geht.
„Wie lässt sich ein System so gestalten, dass es Temperaturen effizient angleicht und die Nachhaltigkeit optimiert? Das ist die Schlüsselfrage“, sagt Wernvik.
Gleichzeitig bietet die Technologie viele Vorteile, so Wernvik:
„Dieser Ansatz entwickelt sich zu einer neuen Form der Colocation von Industrien, um wichtige Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Der Effizienzgewinn ist beträchtlich. Auf diese Weise kann man in bestimmten Gebieten auch Industrien ansiedeln, die es dort sonst nicht gäbe.“
Angesichts dessen, dass der verstärkte Einsatz von KI noch mehr Rechenleistung und damit noch mehr Strom erfordern wird, muss der Kreislaufgedanke im Hinblick auf die Abwärme von Rechenzentren weiterentwickelt werden.
„Ich glaube und hoffe, dass die Wärmerückgewinnung ein Teil dessen sein wird, dass industrielle Akteure mehr Verantwortung übernehmen“, sagt Wernvik. „Das Interesse an der Entwicklung energie- und ressourceneffizienter Industrielösungen sollte wachsen, denn in Zukunft werden wir uns die Ressourcen in größerem Umfang teilen müssen.“
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