Wie ein Windpark Bestandteil von Skiern wurde

Vor fünf Jahren stand Vattenfall vor dem Rückbau seines ersten großen Windparks und hatte beschlossen, das Material keinesfalls auf einer Deponie zu entsorgen. Auf der Suche nach Alternativen stieß man auf das norwegische Recyclingunternehmen Gjenkraft und stellte schnell fest, dass man gut zusammenpasst. Heute hat die Zusammenarbeit zu etwas so Konkretem wie Skiern mit Kohlefaser aus Rotorblättern geführt. 

Gustav Frid

Gustav Frid, Spezialist für Umwelt und Nachhaltigkeit bei Vattenfall

Laut Gustav Frid, Spezialist für Umwelt und Nachhaltigkeit bei Vattenfall, war die Suche nach neuen Methoden zum Umgang mit der großen Menge an Verbundwerkstoffen, die in einem Windpark vorkommen, damals im Jahr 2020, nur folgerichtig.

Die Entscheidung, nach alternativen Lösungen zu suchen, wurde durch die in den Medien, insbesondere in den Vereinigten Staaten geäußerte Besorgnis über den Umgang mit dieser Art von Abfällen ausgelöst. Das war zu einem Zeitpunkt, an dem sich mehrere Windparks dem Ende ihrer Lebensdauer näherten.

"Weltweit wurde viel über das Abfallmanagement diskutiert. Außerdem haben wir an einer Strategie gearbeitet, die ein Verbot der Deponierung vorsah. Ziel war es, möglichst nachhaltige Lösungen zu finden und um das zu erreichen, haben wir die Rotorblätter als Teil verschiedener Forschungsrichtungen betrachtet. Wir wollten mehr über unterschiedliche Recyclinglösungen erfahren, aber auch darüber, wie wir vermeiden können, dass die Blätter auf der Mülldeponie landen", sagt Gustav Frid.

Als Vattenfall im Jahr 2022 den Windpark Irene Vorrink in den Niederlanden abbauen wollte, hatte das ausführende Unternehmen keine andere Möglichkeit, als die Verbrennung. Auf der Suche nach Alternativen profitierte Vattenfall von der umfassenden Bestandsaufnahme der auf dem Markt verfügbaren Möglichkeiten. 

"Da der Vertrag mit dem Auftragnehmer keine Lösung für das Recycling der Rotorblätter vorsah, mussten wir einen Dritten mit der Entsorgung der Blätter beauftragen. Also begannen wir, nach Alternativen zu suchen. So kamen wir in Kontakt mit dem norwegischen Unternehmen Gjenkraft, der zu dieser Zeit gerade gegründet wurde."

Vattenfall Windpark "Irene Vorrink" in den Niederlanden vor dem Abbau

Vattenfall Windpark "Irene Vorrink" in den Niederlanden vor dem Abbau, Foto: Jorrit Lousberg

Gutes Timing machte die Wahl leicht 

Neben der Tatsache, dass Gjenkrafts Forschungsgebiet das Recycling von Verbundwerkstoffen, wie z. B. Rotorblättern ist, war auch der Zeitfaktor entscheidend.

"Für uns war es wichtig, dass die Blätter ohne Zwischenlagerung direkt von der Demontage zum Recyclingunternehmen gehen. In dieser Hinsicht passten unsere Bedürfnisse und das Forschungsprojekt von Gjenkraft auch zeitlich sehr gut zusammen", sagt Gustav Frid.

Marcin Rusin, einer der Gründer von Gjenkraft, sagt, dass gerade die Debatte über die Rotorblätter von Windkraftanlagen und deren Wiederverwertung zur Gründung des norwegischen Recyclingunternehmens geführt hat. Was als abendliches Hobbyprojekt begann, ist heute ein kommerzielles Unternehmen, das u. a. von Innovation Norge und der EU gefördert wird.  

„Gjenkraft recycelt Verbundstoffabfälle, um wertvolle Materialien auf nachhaltige und umweltfreundliche Weise zurückzugewinnen. Unser Ziel ist es, dies auf „grüne Weise“ zu tun und den Abfall nicht im Boden zu vergraben oder zur Energiegewinnung zu verbrennen. Die Windenergie gilt seit jeher als grüne Energiequelle, aber es stellt sich die Frage, wie man die Rotorblätter nachhaltig entsorgen kann, wenn sie nicht mehr genutzt werden können.  Hier setzen wir mit unserer Technologie an, um die Windenergie wieder grün zu machen", sagt Marcin Rusin.   

Wertvolle Rohstoffe wiederverwerten  

Das von Gjenkraft angewandte Verfahren ist ein geschützter mehrstufiger thermochemischer Prozess. Sie ermöglicht die Rückgewinnung von Glas- und Kohlenstofffasern sowie von Kohlenwasserstoffen in Form von Gas und Öl. Eines dieser Materialien, Kohlefaser, wurde in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Skihersteller Evi Ski für die Herstellung von Skiern verwendet.  

"Unser Ziel war es immer, zu zeigen, dass diese Herausforderung gelöst werden kann. Wir verfügten bereits über die Technologie zur Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe aus Verbundstoffabfällen, der nächste Schritt bestand darin, ein modernes, anspruchsvolles Produkt zu finden, das für die Öffentlichkeit attraktiv ist“, fügt Marcin Rusin hinzu, dem Gustav Frid zustimmt:

„Das Wichtigste an den Skiern ist, dass sie die ganze Bandbreite der Innovation zeigen. Indem wir das Potenzial der Verwendung recycelter Materialien aufzeigen, können wir neue Märkte und Anwendungsbereiche finden.“ 

Gesetzgebung und Anreize für mehr Kreislaufwirtschaft 

Die Deponierung von Verbundwerkstoffen, wie z. B. Rotorblättern, ist in der EU unterschiedlich geregelt. In vielen Ländern ist sie noch erlaubt, aber in einigen Ländern, wie den Niederlanden, ist es verboten.  

Gustav Frid hofft, dass in Zukunft viel mehr Unternehmen versuchen werden, in ihren Herstellungsprozessen die Verwendung recycelter Materialien zu testen, aber hierfür ist vor allem eine einfache Gesetzgebung erforderlich.

„Heute stehen beispielsweise Transport und Kreislaufwirtschaft in der EU zur Debatte, wo die Gesetzgebung und die hohen Kosten für den grenzüberschreitenden Transport von Abfällen wirksame Recyclinglösungen behindern. Ich hoffe, dass es eine Gesetzgebung und Anreize geben wird, die zu neuen Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft führen und es neuen Produkten mit recyceltem Inhalt erlauben, sich auf dem Markt zu etablieren.“ 

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