Pumpspeicherwerk Hohenwarte - Ein Blick in die Staumauer

Seit über 50 Jahren versperrt die Staumauer vom Pumpspeicherkraftwerk Hohenwarte der Saale den Weg. Das Pumpspeicherkraftwerk Hohenwarte ist das größte Wasserkraftwerk an der Saale. Es ist seit 1966 in Betrieb. Mit acht Maschinensätzen ist es das größte Wasserkraftwerk an der Saale. Die Ostthüringer Zeitung (OTZ) war zu Besuch und machte eine Tour durch den Koloss.

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Wasserrücklauf an der Staumauer von Hohenwarte in die Saale, Foto: Vattenfall

 

Die Ostthüringer Zeitung (OTZ) besuchte das Pumpspeicherkraftwerk Hohenwarte. Der Bericht erschien zuerst in der OTZ: Die Staumauer des Pumpspeicherkraftwerks ist lang: fast 412 Meter. Sie ist hoch: gut 75 Meter. Und schwer: etwa 1,2 Millionen Tonnen. Sie liegt anscheinend regungslos, während durch sie das Wasser auf die Turbinen stürzt.

Und doch ist sie belebt. Nicht von Tieren, die in Gestalt von Mäusen manchmal durch einen Türspalt schlüpfen und mangels Nahrung schnell wieder verschwinden. Sondern von Geistern in Menschengestalt. Tief drinnen in der Staumauer der Hohenwarte-Talsperre verrichten sie ihr taglichtfreies Werk.

Helm auf, Tür zu. 

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Jens Steiner im Niedergang zur zweiten Sohle. Insgesamt führen mehr als 300 Stufen nach unten, teils so steil wie an einem Schanzenturm. Foto: OTZ

 

Am Parkplatz der Stausee-Schifffahrt, knapp unterhalb der Mauerkrone führt ein Gang in die Tiefe. Stufen, Stufen, Stufen. Mehr als 300 bis nach ganz unten und die Gänge zusammen 2,2 Kilometer lang, aber so weit sind wir noch nicht.

Jens Steiner schaltet das Licht ein. „Leiter Bautechnik und Bauwerksüberwachung“ steht auf seiner Visitenkarte, er ist quasi der oberste Staumauer-Wächter im Vattenfall-Reich. „Jede ist einmalig, ein komplexes, nach den jeweiligen Anforderungen und Bedingungen errichtetes Kunstwerk“, erklärt er. Mit ihr richtig umzugehen, brauche jahrelange Erfahrung. Steiner wacht über den Trumm von Hohenwarte seit 25 Jahren – und ist erst der dritte seit dem 1941 beendeten Bau.

Eigentlich, so könnte man annehmen, dürfte es an einer simplen und ziemlich dicken Mauer aus Beton nicht viel zu tun geben. Schließlich obliegt das Wasser-Ablassen oder -Aufstauen ebenso der Fernsteuerung aus der Vattenfall-Zentrale wie der Kraftwerksbetrieb. Das ist im Prinzip richtig, aber in der Realität dann doch falsch.

Fasst man all die Erklärungen und Hinweise zusammen, die Steiner während der mehrstündigen Mauer-Tour praktisch ununterbrochen und noch dazu im Tempo einer hochdrehenden Francis-Turbine auf den Reporter prasseln lässt, könnte man sagen: Es passiert fast nichts, aber das macht einen Haufen Arbeit.

Wasser, Temperaturwechsel, Alter 

Warum? Weil die Staumauer im Wesentlichen drei natürliche Widersacher hat: Wasser, Temperaturwechsel und Alter. Das Wasser, immerhin schwappen bis zu 182 Millionen Kubikmeter in der Talsperre, kommt an der Mauer nicht weiter und will deshalb darunter durch. Es entwickelt einen Sohlenwasserdruck, dem die Staumauer ihr schieres Gewicht entgegenhält.

Damit das klappt, müsste die Mauer sogar noch dicker sein. Deshalb wurde beim Bau ein sogenannter Dichtschleier durch Hunderte Bohrungen in den Untergrund gedrückt, eine spezielle Zementmilch, die Risse und Hohlräume ausfüllt. „Damit wird der Druck unter der Mauer um bis 60 Prozent reduziert“, erklärt Jens Steiner – und entsprechend schlanker konnte sie werden.

Was nicht heißt, dass da nicht trotzdem Wasser durch den Fels fließt. Nur eben weniger. Messuhren auf den drei Sohlen im Innern der Mauer zeigen den jeweiligen Druck. Steigt er über den Toleranzwert, kann an den Kontrollbohrungen Wasser abgeleitet werden. Nicht, weil die Mauer sonst rutschen würde. Sondern weil Partikel ausgeschwemmt würden und sich so Hohlräume bilden könnten.

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Alte Schaltwarte direkt unterhalb der Staumauer, Foto: Vattenfall

Kilometerlange Gänge, 300 Messstellen 

Trotzdem plätschert es in der Mauer. Sickerwasser dringt ein, sucht sich seinen Weg zwischen den Fugen der 29 riesigen Betonblöcke, aus denen die Mauer besteht. Rinnt es in den oberen Stockwerken tröpfchenweise, so kommt hin zur untersten Sohle ein kleines Bächlein zusammen – ein halber Liter pro Sekunde. „Das ist ein absoluter Spitzenwert für so ein Bauwerk“, versichert Jens Steiner. Bevor das Rinnsal gen Grundablass verschwindet, wird die Menge von drei parallelen Systemen kontrolliert.

Überhaupt begegnet dem Mauer-Wanderer alle paar Meter irgendeine Kontrollstelle. Mal ist es ein Pendellot, das gut 60 Meter von der Krone bis nach unten reicht und auf ein Kippen der Mauer bereits im Bereich unter einem Millimeter reagiert. „Bloß nicht!“, raunt Jens Steiner, als des Reporters Finger fürwitzig an den dünnen Stahlfaden tippen will. Schon das würde reichen, im Kontrollraum die Alarmleuchten blinken zu lassen. Ferner gibt es Messpunkte, um ein Verschieben der Blöcke zu erfassen. Eingesenkte Edelstahl-Knuddel, an denen der „Zauberstab“ anklickt, mit dem ein Stauchen einzelner Blöcke gemessen wird. Das Schwimmlot, das ein Versetzen des Mauerfußes signalisiert. Insgesamt fast 300 Messstellen, die ihre Werte überwiegend automatisch weitermelden.  

Mauergeister

Und trotzdem gibt es die „Mauergeister“. So steht es an der Tür zu einem winzigen Werkstatt- und Pausenkabuff auf der mittleren Sohle. Die Betriebswarte Edgar Künzel und Alexander Schick sind von hier aus gerade im Abmarsch zur nächsten Kontrolltour Richtung Hangseite, wo sich die Mauer an steilen Fels schmiegt und daher die Treppen so steil sind wie am Sprunghang einer Skischanze. Warum aber müssen sie selbst noch einmal messen und kontrollieren, da doch fast alle Punkte elektronisch vernetzt sind?

„Der Mensch kontrolliert die Technik und die Technik den Menschen“, kommentiert Jens Steiner. Die wechselnden Zahlen an den Messgeräten zeigen: Die Mauer bewegt sich ständig um Bruchteile von Millimetern – aber im erlaubten Bereich. Wurde jemals Alarm ausgelöst, weil auch nur ein Block sich unbotmäßig verschob? „Nicht einmal“, versichert Jens Steiner.

Eine Kotrolltour, zweieinhalb Stunden 

Zwei bis zweieinhalb Stunden dauert die übliche Kontrolltour durch den schweigenden Beton. Für die monatlich vorgeschriebene „Große Messung“ an sämtlichen Punkten sind es zwei bis drei Tage, erzählt Edgar Künzel. Ob ihm manchmal mulmig sei, umgeben von Beton und all dem Wasser nur wenige Meter dahinter? „Nö“, sagt der 61-Jährige, der seit 30 Jahren die Mauer innen wie außen inspiziert, „man gewöhnt sich dran“.

Jetzt im Winter sei es drinnen doch angenehm, gleichbleibend frostfrei und ohne das lästige Kondenswasser, das bei warmer Außenluft rinnt. „Im Sommer ist es schlimmer“, findet Edgar Künzel. Nicht etwa wegen des fehlenden Sonnenlichts. Sondern wegen des Temperaturunterschieds. „Wenn du dann nach draußen trittst, trifft dich die Wärme wie ein Hammer.“

Staumauer bewegt sich 

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Die über 400 Meter lange Staumauer des PSW Hohenwarte; Foto: Vattenfall

 

Langweilig sei der Job auch nicht. Neben den Kontrollen müssen auch Maschinen wie etwa die Antriebe der sieben Wehrklappen gewartet oder die kilometerlangen Drainage-Röhren in der Mauer von Ablagerungen befreit werden. Auch kleinere Ausbesserungen an Wänden, Schächten und Gängen, wo Aussinterungen zuweilen zarte Kristalle zaubern, gehören dazu. Doch das Wichtigste seien die Messungen. Denn die Staumauer, das mit Abstand massivste Bauwerk im Landkreis, bewegt sich. „Ein, zwei Zentimeter zieht sie sich im Winter zusammen und dehnt sich zum Sommer wieder aus“, erklärt Jens Steiner. Nur temperaturbedingt.

Wie viel Saale-Wasser davor schwappt und wie Anfang Juni 2013 sogar darüber, das beeindruckt den grauen Giganten hingegen wenig bis gar nicht. Drei Tage am Stück hatte Jens Steiner während des Hochwassers seine ganze Truppe im Überwachungseinsatz an der Saalekaskade. „Die Werte, die damals gemessen wurden, waren zuvor nie erreicht worden – aber kein einziger wurde wirklich kritisch“, so Jens Steiner, „die Anlage war und ist sicher, das hat das Hochwasser bestätigt.“

Fast klingt es ein bisschen dankbar. Geändert hat sich seither trotzdem etwas. Es gibt jetzt noch mehr Sohlendruck-Messpunkte. Und einen, um fast die Hälfte vergrößerten Hochwasser-Reserveraum in der Talsperre. Vor der Staumauer, die auch nach über sieben Jahrzehnten noch viel Arbeit macht.

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