Luftaufnahme von Fischaufstiegstreppe

Die Fischtreppe bei Geesthacht: Erfolgreicher Aufstieg

Am 21. April 2018 ist Internationaler Wandertag für Fische. Ein Tag für den Artenschutz, denn viele Fischarten führen seit Jahren die Liste der bedrohten Tierarten an. Ihre überlebenswichtige Wanderung endet oft plötzlich – weltweit versperren Dämme und Staustufen häufig den Weg. An der Elbe bei Geesthacht ermöglicht eine innovative Fischtreppe den ungehinderten Aufstieg für alle Fische.

Die große Fischwanderung

Fast alle Fischarten müssen in ihrem Leben mehr oder wenige ausgedehnte Wanderungen unternehmen, um ihre Lebensräume zu erreichen: zur Fortpflanzung, für Kinderstuben, zur Nahrungssuche und als Winterlager. In fast allen Flusssystemen ist dies eine Wanderung mit Hindernissen: Weltweit verhindern rund 40.000 Dämme, Wehre und Schleusen den Weg. Allein in deutschen Wasserstraßen folgt im Schnitt alle zehn Flusskilometer ein Wehr auf das Nächste. An der Elbe bei Geesthacht reguliert seit den 1960er Jahren ein 4,5 Meter hohes Wehr den Wasserstand. 

Modellfunktion: Europas größte Fischtreppe

Die Fischaufstiegstreppe Geestacht

Die mit 550 Metern Länge größte Fischtreppe Europas ist quasi das Erfolgsmodell unter den Fischtreppen.

Es sind nicht nur die Größe der Anlage, sondern auch die zahlreichen technischen Extras, die sie zu einem für Fische maßgeschneiderten Erfolgsmodell machen. Dazu zählen zum Beispiel die konstante und niedrige Fließgeschwindigkeit, die sowohl für schwimmstarke wie den Lachs als auch konditionsschwache Fische wie Stint und Stichling geeignet ist. Die Möglichkeit, durch Zuwässerung auf den Tidenhub zu reagieren zählt genauso dazu wie der eingebaute Notausgang für Säugetiere. Diese Besucher gab es bereits: 2014 und 2015 kamen hier die Seehunde Nico und Emma auf ihrem Weg die Elbe entlang.

Die Seehündin Emma, Foto: Vattenfall

Zum ersten Mal wurde eine Anlage von Grund auf nach den Bedürfnissen der der Fische entwickelt. Sie integriert interdisziplinär den Stand der Forschung zum Fischaufstieg – Grund für Fachleute aus der ganzen Welt, sich das Bauwerk vor Ort anzusehen. Auf der Fachkonferenz Fish Passage 2015 im niederländischen Groningen erhielt die Anlage daher auch eine Anerkennung als „Herausragendes Projekt in Fischereiwesen & Ökohydrologie“.

Erfolgreicher Fischaufstieg an der Elbe

Seit Inbetriebnahme 2010 nutzten rund 2,1 Millionen Fische die Anlage. 50 Arten wurden hier auf ihrem Wanderweg registriert. Ihre Funktionstüchtigkeit hat die Anlage also längst bewiesen. Häufige Besucher sind die Flussneunaugen, eine geschützte FFH-Art, dicht gefolgt von den Güstern, die zu den Karpfenfischen zählen, und den Dreistacheligen Stichlingen. Ein Grund für den Erfolg: Den Aufstieg im Doppelschlitzpass können alle schaffen: Die etwas konditionsschwache Ukelei und der sportliche Lachs, heimische Arten wie Stint und Zander genauso wie exotische Besucher wie Streifenbarsche und der Sibirische Stör. Der schwerste und längste Fisch war ein 31,5 Kilo schwerer Wels mit einer Länge von 1,70 Meter.  

Forschen zum Schutz der Fische  

Ebenfalls einzigartig: das umfassende Monitoring, dass an dieser Stelle an der Elbe durchgeführt wurde. Die Fische wurden nicht nur in Zahlen erfasst. Mithilfe von Transpondertechnik und speziellen Antennen konnten die Biologen auch den Weg der Fische während des Aufstiegs verfolgen – und so Rückschlüsse auf das Verhalten der einzelnen Fischarten ziehen.  

Danach ist es scheinbar kein Problem für die Fische, den Einstieg in den künstlichen Wanderweg zu finden. Je nach Fischart benötigen sie jedoch unterschiedlich lange für den Weg. Manche Arten benötigen für die 49 Becken nur 20 Minuten, während andere gern mal eine kleine Pause einlegen und sich ausruhen. Insgesamt sind die Aufstiegsbewegungen keineswegs konstant, sondern unterliegen jährlich starken Schwankungen. 

Spielplatz für Migranten aus der ganzen Welt

Grenzkontrollen sind in den Flüssen und Meeren kein Thema. Durch die biologische Detektivarbeit wurden auch Flussbewohner aufgespürt, die hier gar nicht zuhause sind. Einwanderer aus Osteuropa wie die Kessler-Grundel zum Beispiel durchstreifen seit einigen Jahren deutsche Flüsse und verdrängen an vielen Orten die heimischen Arten.

Einwanderer aus Osteuropa : die Kessler-Grundel

Die Wollhandkrabbe, die im Fahrwasser von Schiffen aus Ostasien kam, hatte in der Fischaufstiegsanlage in großer Zahl ihr Quartier bezogen. Für sie wurde mittlerweile eigens eine Umleitung gebaut, damit Fische ihre Wanderschaft durch die Anlage ungestört fortsetzen können. 

Freie Fahrt für Fische?

Initiativen wie der World Fish Migration Day können dazu beitragen, dass sich die Aufmerksamkeit darauf, wie wir mit unseren Flüssen umgehen, zukünftig ändert. In vielen Ländern wurden bereits wieder Dämme entfernt. Auch funktionierende, das heißt auf die Bedürfnisse von Fischen ausgerichtete Fischaufstiegsanlagen wie der Doppelschlitzpass an der Elbe stellen die Durchgängigkeit von Flüssen wieder her. Dies ist ein wesentlicher Beitrag für den Erhalt der Arten und der Verbesserung und Erhaltung des überregionalen Flusssystems.


Die Fischtreppe bei Geesthacht können Sie besuchen:

Termine 2018:

  • Mittwochs 10, 12 und 14 Uhr
  • sowie an den folgenden Samstagen um 11 Uhr, 13 und 15 Uhr:
    21. April, 26. Mai, 23. Juni, 7. Juli, 25. August, 22. September, 20. Oktober 2018.

Dauer der Führung: 90 Minuten.  

Um vorherige Anmeldung wird gebeten unter Telefon
040 57011 3200
oder per Mail an fischaufstieg@vattenfall.de.

Wetterfeste Kleidung und festes Schuhwerk sind von Vorteil.


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