Personen auf einem Boot

"Die Hochsee ist kein Ponyhof"

Immer mehr Mitarbeiter von Vattenfall arbeiten auf hoher See. Draußen auf dem Meer weht der Wind noch stürmischer als an Land, und das Wetter zeigt sich von seiner besonders rauen Seite. Wenn es hart auf hart kommt, muss man gut gerüstet sein, denn oft geht es ums nackte Überleben!

DIE GRÖSSTEN GEFAHREN


KÄLTESCHOCK
Wenn man im Wasser landet, verliert man selbst bei 15 Grad Celsius für circa eine Minute die Kontrolle über seinen Körper. In diesem Zustand hyperventiliert man, was das Risiko des Ertrinkens erhöht.

ERTRINKEN
Nachdem ein Opfer ins Wasser gefallen ist, kann es nach kurzer Zeit ertrinken oder aber bis zu 24 Stunden nach seiner Rettung, wenn es mehrere Stunden lang Salzwasser­partikel eingeatmet hat. Dies kann die Wasserproduktion in den Lungen anregen, sodass die Opfer schließlich in ihrer eigenen Körperflüssigkeit ertrinken.

HYPOTHERMIE
Man spürt seine Hände und Finger nicht mehr und fängt an zu zittern. Wenn die Körper­temperatur auf 35 Grad Celsius oder darunter fällt, stirbt man nach einer Weile an Unterkühlung.

Wie ein Korken taucht Bjarne Christesen, eingehüllt in einen orangefarbenen Rettungsanzug, zwischen den hohen Wellen auf und ab. Gemeinsam mit neun anderen Personen kämpft er sich durch einen tosenden Sturm, der Regen prasselt vom Himmel, es donnert und blitzt. Die leuchtende Rettungs­insel, die sie erreichen wollen, scheint endlos weit weg. Schauplatz könnte die stürmische Nordsee sein, und die zehn Männer und Frauen im Wasser Überlebende eines gesunkenen Schiffes, das die Crew zu einem Offshore-Windpark bringen sollte.

Dort, in den stürmischen Wogen, ist für Christesen alles so realistisch, dass es schon ziemlich beängstigend ist. Tatsächlich treibt er in einem 1.200 Kubikmeter großen Wasserbecken von Falck Safety Services in der Nähe der dänischen Stadt Esbjerg und absolviert einen Seenotrettungskurs für Offshore-Arbeiter. Der Regen kommt aus einer Sprinkleranlage, die vor einer gigantischen Windmaschine aufgestellt wurde und für den Sturm­effekt sorgt. Die stürmische See wird mit einem leistungsstarken Wellengenerator inszeniert. Wir befinden uns hier im einzigen Salzwasserbecken Europas. Die Auftriebskraft ist genauso groß wie im echten Meer – ideale Trainingsvoraussetzungen also für die Sondereinsatzkräfte der schwedischen Armee und Polizei, die sich im Zentrum im Esbjerg ebenso wie ihre dänischen Kollegen auf den Ernstfall vorbereiten.

Die zehn in Orange gekleideten Gestalten im Wasser gehören einer wachsenden Gemeinschaft von Offshore-Arbeitern an, die tagtäglich den Gefahren der See trotzen, damit Wasserkocher, Fernseher und Lampen mit grüner Energie betrieben werden können, die von gigantischen Offshore-Windturbinen erzeugt wurde. Jeder von uns wünscht sich saubere Energie, aber nur wenige möchten ein Windrad in ihrer Nachbarschaft. Deshalb werden immer mehr Turbinen auf dem Meer errichtet, wo die Servicetechniker jedoch unter vollkommen anderen Bedingungen arbeiten müssen. Nach Feierabend kann man von dort aus nicht einfach mit dem Auto heimfahren, und bei einem Notfall kann man nicht mal eben einen Krankenwagen rufen.

Kursteilnehmer Christesen ist gelernter Elektriker und für Vattenfall als Servicetechniker für Windturbinen im Einsatz. „Das Meer verhält sich nicht immer so, wie wir es gern hätten. Wir müssen lernen, die gefährliche Umgebung, in der wir tätig sind, zu respektieren“, sagt er. „Ins Wasser zu fallen, mag vielleicht harmlos erscheinen. Wenn man aber nicht weiß, wie man sich korrekt verhält, oder nicht die richtige Kleidung trägt, um mehrere Stunden im Wasser zu überleben, setzt man sein Leben aufs Spiel. Und das Dilemma dabei ist, dass niemand wirklich weiß, wie er in einer solchen Situation reagieren soll. Im Kurs sollen wir Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten aufbauen, sodass wir im Notfall nicht in Panik geraten, sondern mit der Situation umgehen können.“

Normalerweise gelangen die Mitarbeiter mit dem Boot zu den Windrädern. Wenn das Wetter jedoch so schlecht ist, dass das Boot nicht bis zum Fundament der Turbine vordringen kann, nutzen die Servicetechniker einen Hubschrauber. „Und wenn es extrem nebelig und windig ist, kann es sogar passieren, dass wir weder per Hubschrauber noch mit dem Boot zurück an Land kommen“, erklärt Christesen. „Dann müssen wir unsere Schlafsäcke, Isomatten und unser Abendbrot – Proteinkekse und Wasser – holen und es uns 70 Meter über dem Meer im Turbinengehäuse gemütlich machen, bis sich der Sturm gelegt hat.“

Synchronrückenschwimmen ist eine besondere ­Über­lebensdisziplin, die viel Übung erfordert.

Synchronrückenschwimmen ist eine besondere ­Über­lebensdisziplin, die viel Übung erfordert. Foto: Lars Thornblad

Starker Zusammenhalt

Nachdem die zehn Teilnehmer einen Tag gemeinsam im Kursraum verbracht haben, testen sie ihre theoretischen Kenntnisse in der Praxis. Das Anlegen des Rettungsanzugs mit seinen eng sitzenden Gummimanschetten und den riesigen Stiefeln ist die erste Hürde des Tages, die es zu überwinden gilt. Anschließend heißt es: Ab ins Wasser. Von einem drei Meter hohen Turm, der die Bordwand eines Schiffes darstellen soll, springen die Kursteilnehmer mit einem lauten Platsch in das grüne Wasser, bevor sie wieder in den schäumenden Wellen auftauchen. Dann wird die Embryonalhaltung geübt, in der der Körper weniger Wärme abgibt. Schließlich werden zwei lange Ketten gebildet. Die Teilnehmer halten sich gegenseitig mit ihren Beinen fest und schwimmen auf dem Rücken liegend mit rhythmischen Zügen auf die Rettungsinsel zu. Auf offener See muss man unbedingt zusammenbleiben und sich gegenseitig helfen. Die Trainer haben einen „unglücklichen Zufall“ organisiert, und die Rettungsinsel treibt plötzlich verkehrt herum auf dem Wasser. Ole Bigum, Offshore ­Project Director bei Vattenfall, muss seine Eignung für den Job unter Beweis stellen und die Rettungsinsel eigenhändig umdrehen. Mit aller Kraft zieht er sich auf die Rettungsinsel, bevor er sie wieder herumdreht und dabei unter ihr verschwindet. Einige Sekunden später taucht sein Kopf zur Erleichterung aller neben der Rettungsinsel wieder auf.

„Wer auf hoher See arbeiten will, muss sich selbst zuliebe und zum Wohle aller körperlich fit halten. Die Hochsee ist kein Ponyhof, aber wenn alles gut eingespielt ist, dann ist dieser Arbeitsplatz durchaus sicher!“, betont ­Christesen.

NÄCHSTER HALT: ENGLAND

Laut Jesper Jonø, der bei Falck Safety Services Kurse in Seenotrettung gibt, ist die Nordsee ein ähnlich schwieriges Seegebiet wie die Biskaya im Westen Frankreichs. „Beide Gewässer sind sehr flach, sodass die Wellen, die vom Atlantik aus kommend die Windräder von Vattenfall umspülen, bis zu vier oder fünf Meter hoch sein können. Schwerer Seegang macht das Vorankommen schwierig. Und die starken Strömungen, die dort herrschen, reißen jeden, der ins Wasser fällt, mit sich.“ Diese Strömungen sind der einzige Aspekt, den man im Trainingsbecken nicht imitieren kann. „Wenn man von einem Windrad aus ins Wasser fällt, darf man nicht gegen die Strömungen ankämpfen, sondern muss versuchen, das nächste Windrad in der Reihe zu erreichen. Und sollte hoffen, dass man nicht von der letzten Turbine in der Kette gestürzt ist, denn dann müsste man bis nach England schwimmen.“

Alle Vattenfall Mitarbeiter sind mit einem Crew Finder ausgestattet. Sobald dieses Gerät aktiviert ist, werden Notfallsignale ausgesendet. Doch als die Kursteilnehmer den tosenden Sturm im Becken überstanden und sich auf die in den Wellen schwank­ende Rettungsinsel gerettet haben, haben die Trainer eine weitere Überraschung parat. Plötzlich ist das Brummen eines Helikopters zu hören. Einer nach dem anderen greifen die Teilnehmer nach dem herabhängenden Seil und lassen sich zum über ihnen befindlichen Kran ziehen, der einen Rettungshubschrauber darstellt.

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Die Kursteilnehmer zeigen, wie sie auf offener See mit einem Rettungsnetz einen Kollegen retten. Foto: Lars Thornblad

Das offene Meer 

Die abschließende praktische Übung findet in zwei PS-starken Motorbooten statt, die den Hafen von Esbjerg in rasantem Tempo verlassen und auf die offene See hinaussteuern. Jetzt müssen die Teilnehmer zeigen, dass sie bei hoher Geschwindigkeit von einem Schiff auf ein anderes wechseln können. Außerdem müssen sie, in Zweierteams arbeitend, einen verwundeten Kollegen aus dem Wasser ziehen, wobei ein spezielles Rettungsnetz zum Einsatz kommt, mit der die Person in Not ohne viel Aufwand buchstäblich an Bord gerollt wird. Als die Teilnehmer am Ende des Nachmittags endlich ihre Rettungsanzüge ausziehen können, ist ein kollektiver Seufzer der Erleichterung zu hören. Alle haben bewiesen, dass sie es vom Boot auf das Turbinenfundament schaffen, ohne im Wasser zu enden. Stolz halten sie die heiß begehrte kleine Plastik­karte in der Hand, die ihnen erlaubt, weiterhin auf hoher See zu arbeiten.

ÜBERLEBENSTIPPS

  1. Benutzen Sie Ihren ­Menschenverstand.
  2. Ermitteln Sie die Risiken.
  3. Machen Sie sich mit Ihrem Equipment vertraut.
  4. Nutzen Sie Ihr Equipment ­ordnungsgemäß.

 

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