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Biomasseheizkraftwerk Märkisches Viertel
Seit Ende der Sechziger Jahre sorgt die Anlage im Märkischen Viertel für Wärme in den nahegelegenen Siedlungen. Das heutige Biomasseheizkraftwerk hat eine wechselreiche technische Historie, deshalb steht es auch unter Denkmalschutz. Es ist Vattenfalls erstes Biomasseheizkraftwerk in Berlin und wird mit naturbelassenen Holzhackschnitzeln befeuert.
In den 1960er Jahren war das Märkische Viertel das Vorzeigeobjekt städtischen Planens. Heute ist das Viertel ein Schmelztiegel für die unterschiedlichsten Kulturen und sozialen Schichten und nun Vorzeigeobjekt für energetisches Sanieren in der Hauptstadt. Die weißgetünchten Wohnhäuser der Gesobau sind Kern der aufwendigen Maßnahmen. Und damals wie heute spielt der Energiestandort in der Wallenroder Straße eine wichtige Rolle.
Wandel der Technik
Schon in der ersten Planung zur Siedlung sollte es von hier aus Wärme für die Wohnungen geben, ein eigenes Fernwärmenetz wurde geplant. 1966 begann der Bau für den ersten Abschnitt. „Die Anlage hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich, allerdings mehr aus technischer Sicht als aus baulicher oder geschichtlicher“, erklärt Rötger Wenzel. Er ist im Berliner Norden für den Betrieb der Fernwärmeerzeugungsanlagen zuständig, die nicht im Verbundnetz zusammengeschlossen sind. Dazu gehört auch das Märkische Viertel. Zunächst mit einer Steinkohlefeuerung ausgestattet, wurde die Anlage dann auf Heizöl und Gas umgestellt. „Seit 1995 ist die Anlage komplett bivalent, also sozusagen zweigleisig mit Öl und Gas betrieben worden.“
Komplexer Umbau zum Biomasseheizkraftwerk
In den folgenden Jahren wuchs das örtliche Versorgungsnetz stetig. Es erstreckt sich inzwischen über die Grenzen des Kiezes hinaus. Seit letztem Jahr, pünktlich zur „50-Jahr-Feier“ des Bezugs des Viertels, liefert die Anlage Strom und Wärme aus Biomasse. „Der Umbau ist eines der komplexesten Projekte gewesen, das Vattenfall hier in der Stadt in den letzten Jahren umgesetzt hat“, sagt Wenzel.
Einer der Gründe war der Denkmalschutz. Denn auch, wenn es von außen niemand vermuten würde ist das gesamte Ensemble geschützt. „Ja, die Anlage ist ein bautechnisches Denkmal, das stellt uns vor manche Herausforderung“, bestätigt der Berliner. So mussten beispielsweise der Biomassekessel und die Turbine durch das Dach eingehoben werden. „Letztes Jahr konnte jeder das offene Dach noch über Google Maps bewundern. Inzwischen sind die Bilder aktualisiert worden.“ Nur der sandige Vorplatz zeugt von den Aktivitäten, der Rasen sprießt noch.
Klimaschutz auf engstem Raum
Aufgrund des geringen Platzes waren nicht nur die Bauarbeiten eine logistische Herausforderung. Das neue Biomasseheizkraftwerk wurde auf engstem Raum realisiert. „Unser größter Kunde, die Gesobau, hat 2008 mit der Planung der energetischen Sanierung von 13.000 Wohnungen begonnen. Der Schwerpunkt lag auf Energieeffizienz und Klimaschutz. Ziel war die Halbierung der CO2-Emissionen von rund 40.000 auf zirka 17.000 Tonnen im Jahr. Das war eine Ansage“, so Wenzel. Fast zeitgleich liefen die Verhandlungen zur Klimaschutzvereinbarung zwischen Vattenfall und der Stadt Berlin. Und so kam es, dass dem erfolgreichen Abschluss dieser Vereinbarung 2009 die Klimapartnerschaft mit der Gesobau 2010 folgte. In beide Vereinbarungen wurden die Planungen für Vattenfalls erste Biomasseanlage aufgenommen. Wenzel: „Wir sind also ein Beweis für die Bestrebungen der Stadt, der Wohnungsbaugesellschaft und des Unternehmens, gemeinsam Klimaschutz zu gestalten.“ Die Anlage hat eine elektrische Leistung von fünf und eine thermische Leistung von 18 Megawatt (MW). „Das ist im Vergleich ganz ordentlich. Europas größtes Biomasseheizkraftwerk steht in Wien und hat eine thermische Leistung von 37 MW und eine elektrische Leistung von 24,5 MW.“ Dennoch ist die Größe zu den anderen Berliner Anlagen überschaubar: Die liegen mit ihren Leistungen zwischen 100 MW und 750 MW – je nach Erfordernissen vor Ort.
Nachhaltigkeit wird überprüft
und dokumentiert
„Wir verbrennen hier im Jahr 70.000 Tonnen naturbelassene Holzhackschnitzel“, erläutert der Kraftwerksleiter und zeigt eine Handvoll des Brennstoffes. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wird die Biomasse per LKW angefahren und direkt ins Lager entladen. „Zu Beginn der Bauarbeiten gab es in Berlin eine große Diskussion über die Nachhaltigkeit des Brennstoffes“, so Wenzel. Biomasse gilt als umweltschonender Brennstoff, weil sie im Laufe des Wachstums genauso viel CO2 bindet, wie bei der Verbrennung freigesetzt wird. Diese Rechnung geht aber nur auf, wenn man beispielsweise Transport und Aufbereitung außen vor lässt.
„Vattenfall hat sich 2011 mit der Stadt Berlin auf Kriterien zum nachhaltigen Einsatz von Biomasse geeinigt, die wir hier entsprechend anwenden.“ Die Nachhaltigkeitskriterien des Brennstoffs werden regelmäßig überprüft und dokumentiert „Diese Vereinbarung ist noch immer einzigartig. Bis heute gibt es weder in Deutschland noch in Europa eine verbindliche Gesetzgebung zu Nachhaltigkeitskriterien für feste Biomasse.“
Prinzip ist klassisch
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Funktionsgrafik des Biomassekraftwerks, Grafik: Vattenfall
Rötger Wenzel erläutert kurz den Prozess der Strom- und Wärmegewinnung: Die Biomasse wird im Kessel verfeuert, durch die Verbrennungshitze wird Wasserdampf erzeugt. Dieser treibt eine Turbine an, die wiederum an einen Generator angeschlossen ist. Hier wird dann die Bewegungsenergie in elektrische Energie umgewandelt. Die noch vorhandene Wärme wird ins Fernwärmenetz gespeist. „Das Prinzip ist das eines jeden klassischen thermischen Heizkraftwerks.“
Überwacht werden alle Prozesse von der Warte aus. Hier laufen alle Prozessdaten zusammen. Im Schichtbetrieb sorgen die Kraftwerker vor Ort für den reibungslosen Betrieb der Anlage und somit für Strom und Wärme im Märkischen Viertel.