Fischtreppe Geesthacht: Umleitung für Wollhandkrabben
Die Chinesische Wollhandkrabbe existiert in unseren Flüssen seit etwa 100 Jahren. Nach ihrer Einführung aus Ost-Asien, vermutlich mit Ballastwasser von Schiffen, etablierte sich die Art und ist aus norddeutschen Gewässern wie Havel und Elbe nicht mehr wegzudenken. Massenwanderungen dieser Krabben verursachen regelmäßig Probleme im neuen Fischpass am Geesthachter Wehr. Das Institut für angewandte Ökologie hat sich des Problems angenommen.
Europas größte Fischaufstiegsanlage wurde am Nordufer des Wehres bei Geesthacht nicht nur für Fische gebaut.
Die Wollhandkrabbe, Foto: Institut für angewandte Ökologie (IfÖ)
Die Anlage kann problemlos auch von wirbellosen Tieren passiert werden. Allerdings begünstigt dies auch die Massenwanderungen der Wollhandkrabben, die vom Mündungsbereich der Elbe mehrere 100 Kilometer flussaufwärts marschieren. Zu Hauptwanderzeiten erobern die Tiere zu Tausenden den Fischpass und verstopfen die Monitoringeinrichtungen.
Grundlagenforschung: Was treibt die Wollhandkrabbe?
Wie lässt sich das Problem der Massenwanderung dieses Migranten lösen? Den Wissenschaftler des Instituts für angewandte Ökologie war klar, sie mussten zunächst die Lebensgewohnheiten der Krabbe erforschen.
Um das Verhalten der Wollhandkrabben unter Wasser zu untersuchen, wurde ein großes Gerinne in einem Labor aufgebaut. Durch die großen seitlichen Fenster konnten sie die Tiere wunderbar beobachten.
Erste Erkenntnis: Wollhandkrabben sind zwar keine guten Schwimmer. Sie finden jedoch in jeder kleinen Unebenheit Halt und wandern unbeirrt gerade aus, bis sie auf ein Hindernis treffen.
Zweite Erkenntnis: Erst, wenn sich ein Hindernis als unpassierbar erweist, ändern die Krabben ihre Richtung. Sie erklimmen dann auch senkrechte Flächen, wenn diese ausreichend Halt bieten. An glatten Flächen, wie zum Beispiel aus Blech, rutschen sie ab.
Maschendraht als Kletterhilfe
Ziel war es, die Wollhandkrabben ohne Schäden für die Fische aus den Monitoringeinrichtungen des Fischpasses am Geesthachter Wehr heraus zu leiten. Daher machten die Forscher zusätzliche Versuche mit Röhren, die innen mit Maschendraht verkleidet waren. Nach zahlreichen Tests einigten sich die Wissenschaftler schließlich auf das Konzept, das im Labor am besten funktioniert hatte:
Direkt in die Monitoringeinrichtung des Fischpasses bauten sie in den Ecken jeweils Kletterhilfen aus Maschendraht. Im Anschluss daran wurden Kletterrohre, die innen wieder mit Maschendraht verkleidet sind, installiert. Durch diese gelangen die Wollhandkrabben zu einem Hälterbecken.
Dasselbe Prinzip wurde auch an den Aalleitern des Fischpasses angewandt, die von sehr jungen Aalen genutzt werden. Diese Aufstiegsanlage wurde im Wanderkorridor quer mit Maschendraht ausgestattet. Diesen Draht können zwar die Aale passieren, nicht jedoch die Wollhandkrabben. Sie werden gezwungen, über den gleichzeitig als Kletterhilfe fungierenden Maschendraht aus der Anlage heraus zu klettern und über ein – ebenfalls innen mit Maschendraht ausgekleidetes – Rohr in ein Hälterbecken zu wandern.
Erkenntnislieferant für die Wissenschaft
Die Wollhandkrabben-Leitsysteme sind mittlerweile seit mehr als zwei Jahren installiert und haben sich bewährt. Zu Hauptwanderzeiten werden bis zu 4.000 Tiere am Tag aus dem Fischpass geleitet. Die Hälterbecken werden täglich kontrolliert. Die Wollhandkrabben werden gezählt und im Oberwasser des Wehres wieder freigelassen. Dabei beugen die Leitsysteme nicht nur der Wollhandkrabben-Verstopfung in den für Wanderfische ausgelegten Monitoringeinrichtungen vor, sondern liefern auch wichtige Informationen für die Wissenschaft.
Die Biologen des Instituts für angewandte Ökologie können genau verfolgen, wann und wie viele Wanderwellen es gibt und erhalten so wichtige Erkenntnisse über das Verhalten der Krabben. Das System funktioniert so gut, dass es mittlerweile deutschlandweit in der Fachwelt Beachtung findet. Zudem ist es so flexibel, dass es auch an anderen Stellen an die jeweils örtlichen Bedingungen angepasst werden kann.