Ole setzt sich hin. Kerzengerade, die Ohren spitz aufgestellt, hoch konzentriert. Erwartungsvoll schaut er sein Frauchen an. Sie gibt das Kommando: „Such und hilf!“ Ole stürmt los.
Der ausgebildete Rettungshund weiß genau, was zu tun ist. Selbstständig durchkämmt er das Terrain. Gabriele Marx, seine Hundeführerin, muss nur warten, bis Ole irgendwann bellt. Das heißt, er hat die vermisste Person gefunden.
Zum Glück hat sich die Frau nicht wirklich verlaufen. Sie ist eine Kollegin von Gabriele Marx und hat sich nur versteckt, damit Ole die Suche trainieren kann. Das Ganze ist Teil einer Übung, die Gabriele Marx und die anderen 26 zweibeinigen und 32 vierbeinigen Mitglieder der Rettungshundestaffel Berlin City West regelmäßig durchführen.
Gabriele Marx ist 45 Jahre alt und seit 2004 Rettungs-hundeführerin beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Sie lebt in Berlin-Bohnsdorf.
Perfekter Trainingsort
Heute trainieren sie im Vattenfall Heizkraftwerk Klingenberg im Südosten Berlins. „Einmal im Jahr kommen wir mit unseren Hunden in dieses Kraftwerk“, erklärt Gabriele Marx. Hier sind die Hunde verschiedenen Reizen ausgesetzt, überall brummt, dröhnt und zischt es, es ist unübersichtlich, laut, warm und riecht ungewohnt. Das ist wichtig, damit die Hunde lernen, auch unter schwierigen Bedingungen und mit Ablenkungen zu arbeiten.“
Dass das Training hier möglich ist, ist Kraftwerksleiter Harald Flügel zu verdanken. Als das Deutsche Rote Kreuz vor vielen Jahren bei ihm anfragte, ob die Rettungshundestaffel im Kraftwerk Klingenberg trainieren dürfe, musste er nicht lange überlegen: „Im Ernstfall werden wir Bürger von diesen Freiwilligen und ihren Hunden gerettet. Da finde ich es nur fair, wenn wir sie auf diese Weise unterstützen können. Es tut uns nicht weh, und es ist ein kleiner Beitrag zum Gemeinwohl“, sagt er.
Ole ist das Gemeinwohl ziemlich egal. Er will jetzt die versteckte Person finden. Für ihn ist das Ganze ein Spiel. „Für die Hunde ist das keine Arbeit, sie machen das gerne, sie lieben die Herausforderung und freuen sich, wenn sie die Aufgabe gut gemeistert haben und belohnt werden“, erklärt Gabriele Marx. Bei allem Spaß an der Suche arbeiten die Rettungshunde hoch konzentriert. Nach 20 Minuten ist erst mal eine Pause nötig, damit sich die Nase erholen kann. Denn die ist das wichtigstes Werkzeug der Hunde. Damit orientieren sie sich, damit verarbeiten sie Informationen und damit finden sie die zu suchenden Personen.
200 Millionen Riechzellen hat ein Hund. Der Mensch hingegen hat gerade mal fünf Millionen. Kein Wunder, dass Hunde den Menschen bei allen möglichen Aufgaben unterstützen. Je nachdem, auf welche Gerüche die Hundenase trainiert wird, können die Vierbeiner Rauschgift erschnuppern, Krankheiten wie Krebs riechen oder Menschen aufspüren.
Ole ist acht Jahre alt und arbeitet seit 2008 als Rettungshund fürs DRK.
Er lebt bei Gabriele Marx und ihrer Familie zu Hause.
Rettungs- und Familienhund
Dazu ist regelmäßiges Training nötig. „Seit Ole ganz klein war, gehe ich mit ihm mindestens zweimal pro Woche zum Training, immer dienstags und am Wochenende“, berichtet Gabriele Marx. Ansonsten lebt er bei ihr zu Hause und ist ein ganz normaler Familienhund. Aber wenn es einen Rettungs- oder Sucheinsatz für Polizei oder Feuerwehr gibt, dann wird der Schäferhund zum Profi. Er ist ausgebildet und geprüft in Flächensuche und Trümmersuche. Das heißt, immer wenn irgendwo Menschen gesucht werden müssen, ob vermisste oder verschüttete Personen, dann sind Ole, Gabriele und die anderen Hunde mit ihren Hundeführern zur Stelle.
Immer der Nase nach
Hier im Kraftwerk Klingenberg ist der Einsatz zwar nur eine Übung, aber Ole ist trotzdem voll bei der Sache. Aufgeregt durchsucht er das Gelände, springt über Rohre, klettert Eisentreppen hoch und wieder runter, immer der Nase nach. Es dauert nicht lange, da hat er die Frau in ihrem Versteck aufgestöbert. Jetzt muss er bellen. Und zwar laut, damit Gabriele Marx und die anderen wissen, wo er ist und wo sie hinkommen müssen, um die gefundene Person zu bergen. Die Kollegin birgt sich in diesem Fall selbst und steht auf. Ole beachtet sie kaum, sein Job ist erledigt. Er bekommt zur Belohnung sein Spielzeug, jetzt gilt seine Aufmerksamkeit nur noch seinem roten Gummiball. „Gut gemacht, Ole“, lobt ihn Gabriele.
Verstecken, suchen, finden, belohnen. So geht das noch den ganzen Nachmittag in verschiedenen Bereichen des Kraftwerks. Jeder der Rettungshunde kommt mehrmals dran und kann zeigen, was er drauf hat. Dann muss Ole zurück in die Hundebox in Gabrieles Auto.
Am kommenden Dienstag ist dann wieder Training auf dem Hundeplatz. Und in einem Jahr treffen sich alle wieder zur Sonderübung im Kraftwerk Klingenberg.