Respekt am Arbeitsplatz bei Vattenfall

Auch im Jahr 2016 verbergen noch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Homosexualität. Wie offen sind wir also bei Vattenfall?

Nationale Unterschiede


Deutschland

In Deutschland hat eine Studie des Psychologischen Instituts Köln ergeben, dass jeder zweite homosexuelle Mitarbeiter seine sexuelle Orientierung aus Angst vor Diskriminierung oder mangelnder Akzeptanz verbirgt. Jeder vierte Mitarbeiter hat negative Bemerkungen erlebt und jeder fünfte sogar Schikanen.

Schweden

In Schweden sind gleichgeschlechtliche Lebensweisen nahezu vollständig akzeptiert. Dennoch hat eine Studie des Nationalen Instituts für das Arbeitsleben gezeigt, dass auch in schwedischen Unternehmen jeder zweite Homosexuelle seine sexuelle Identität verbirgt. 40 Prozent von ihnen meiden bestimmte Unterhaltungen aus Angst, geoutet zu werden. 

Niederlande

Die Niederlande gelten als das toleranteste Land gegenüber Homosexualität. Laut einer Studie über Arbeitsbedingungen, die von der niederländischen Kommission für Gleichbehandlung durchgeführt wurde, hatten 80 Prozent der homosexuellen Mitarbeiter ihr Coming-out. Jüngste Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass die Toleranz in der Gesellschaft abnimmt.

Zwischen 7 und 10 Prozent homosexuelle Mitarbeiter müsste es in allen Unternehmen rechnerisch geben. Das entspricht dem statistischen Anteil an der Gesamtbevölkerung. Politisch und juristisch sollten LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transpersons) in Westeuropa zunehmend akzeptiert und gleichgestellt sein. Trotzdem belegen verschiedene Studien, dass sich viele Berufstätige auch in diesen liberalen Ländern immer noch nicht trauen, mit ihrer Homosexualität am Arbeitsplatz offen umzugehen.

News from Vattenfall hat sich aufgemacht herauszufinden, wie es LGBT‑Mitarbeitern bei Vattenfall ergeht. In Deutschland, Schweden und den Niederlanden sprachen wir mit Managern, Kollegen, Vertretern der Sozialberatung, der Personalabteilung und mit Repräsentanten der LGBT-Netzwerke. Wir trafen Menschen, die zu ihrer Sexualität stehen und offen darüber reden, haben aber auch Kollegen getroffen, die von bestehenden Vorurteilen und Einschränkungen berichten. 

Thomas Gustafsson ist Head of Risk Governance und arbeitet in Berlin

Ich gehe sehr offen mit meiner Homosexualität um. Ich habe mich schon nach kurzer Zeit bei Vattenfall geoutet. Es gab dazu keine einzige negative oder abweisende Reaktion. Ich denke, dass jeder, der bei Vattenfall Kollegen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminieren würde, mit äußerst drastischen Konsequenzen zu rechnen hätte.   

Wenn man unter Kollegen von seinem Wochenende berichtet, erzähle ich, was ich mit meinem Lebenspartner gemacht habe. Andere Männer erzählen von ihren Ehefrauen.

Ich gehe sehr offen mit meiner Homosexualität um. Ich habe mich schon nach kurzer Zeit bei Vattenfall geoutet. Es gab dazu keine einzige negative oder abweisende Reaktion.

Hat man es als Manager leichter mit dem Coming-out?

Falls es so sein sollte, könnte es daran liegen, dass man als Manager auch einen realistischen Blick auf sich selbst haben muss. Wenn man als Führungskraft einen offenen Umgang miteinander haben will, ist es vielleicht besonders naheliegend, bei sich selbst anzufangen.

 

Niels van Campenhout arbeitet als Contract & Supplier Manager in Amsterdam

Erst als ich verschiedene LGBT-Kollegen kennengelernt und mit ihnen an Projekten zusammengearbeitet habe, habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass ich hier ganz ich selbst sein kann.

Was könnte Nuon noch für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Mitarbeiter tun?

Ein guter Anfang ist gemacht: Diversity genießt einen höheren Stellenwert, und es wurde ein Diversity-Netzwerk eingerichtet. Am Arbeitsplatz soll sich jeder wohlfühlen. Dazu können wir alle beitragen, indem wir miteinander reden und im Gespräch bleiben.

Aber in den Niederlanden ist noch viel mehr zu tun. Ich sehe in meinem unmittelbaren Umfeld, dass es nicht für jeden gleich leicht ist.

Anonymer Mitarbeiter arbeitet in einem Vattenfall Kraftwerk in Berlin

Hier im Kraftwerk tickt die Welt heterosexuell und wird von Männern dominiert. Homosexualität ist ein Tabu. Ich konnte mich noch nicht zum Coming-out durchringen, weil ich bei der Arbeit keine abfälligen Bemerkungen hören will. Wenn meine Kollegen wüssten, dass ich schwul bin, würde das nur zu Problemen führen. Andererseits ist es nicht angenehm, immer einen Teil deiner Persönlichkeit verbergen zu müssen.

Wie empfinden Sie den Umgang mit Homosexualität bei Vattenfall?  

An einer Pride Parade teilzunehmen, bringt erst mal gar nichts. An meiner Situation ändert das nichts, solange die Leute hier eben so denken.

Henric Larsson arbeitet als Business Strategist in Stockholm und managt das LGBT-Netzwerk bei Vattenfall Schweden

Ein LGBT-Netzwerk kann Themen wie Diversity und Inklusion beleuchten, und zwar in Bezug auf alle Minderheiten. Bei meinen Diversity-Kursen bei BU Distribution Sweden wurde ich zum Beispiel gefragt, ob es denn tatsächlich homosexuelle Menschen im Unternehmen gäbe – was würden diese denn in einem Energieunternehmen für Aufgaben übernehmen können? Ähnliche Ansichten hört man auch über Menschen mit Behinderung oder mit anderen ethnischen Hintergründen. Genau diese Vorurteile und Anschauungen sind es, die wir als Unternehmen bekämpfen müssen.

Hester Koopmans arbeitet als Communication Advisor Online B2C in Amsterdam

Als ich mich bei Nuon beworben habe, dachte ich, das Unternehmen ist vielleicht etwas bieder und eingefahren. Aber damit lag ich völlig daneben! Mit meinem damaligen Vorgesetzten und den Kollegen hatte ich gleich eine angenehme und positive Beziehung. Auch als ich erzählte, dass ich mit einer Frau zusammen bin, reagierten sie positiv. Ich habe mich sofort wie zu Hause gefühlt.

Jetzt, denke ich, ist ein stärkeres Bewusstsein für dieses Thema entstanden. Ich finde, wir haben mehr Gelegenheit, zu zeigen, wie wir mit der Vielfalt umgehen und dass wir Diskriminierungen jeder Art ablehnen. Darauf bin ich stolz.

 

Anne-Marijn Wingelaar arbeitet im niederländischen Alkmaar als Consultant B2C Customer Care

Ich versuche immer, offen mit meiner Homosexualität umzugehen und habe noch nie negative Erfahrungen gemacht. Die Menschen haben viele Fragen, manchmal auch ziemlich heikle. Das amüsiert mich, und es ist gut so, denn dadurch steigt das Verständnis und die Akzeptanz.

Ich wurde weder bei Nuon noch außerhalb des Unternehmens wegen meiner sexuellen Orientierung diskriminiert. Im Umgang mit Kunden hänge ich meine Sexualität nicht an die große Glocke. Das ist in diesem Kontext ja auch nicht nötig. Sollte aber doch einmal ein Kunde mich deswegen diskriminieren, würde ich mit ihm nicht mehr umgehen wollen.

 

Tinahåkan Jönsson arbeitet in Barsebäck als Training Instructor

Seine Kollegen im Kernkraftwerk Barsebäck erfuhren 2007 aus einem Zeitungsinterview, dass Tinahåkan Jönsson sich bei der Arbeit manchmal als Frau und manchmal als Mann kleidet.

Als er später einen neuen Job im Kernenergiebereich bei der Vattenfall Tochter KSU bekam, die Personal für Kernkraftwerke ausbildet, schrieb er einen Coming-out-Brief an alle Mitarbeiter der Anlage. Ein paar Tage darauf erschien er in Frauenkleidern am Arbeitsplatz – ohne eine außergewöhnliche Reaktion zu erhalten.

„Als ich am nächsten Tag wieder normal gekleidet erschien, kamen zwei Mitarbeiter des Kernkraftwerks auf mich zu und sagten, sie hätten mit meinem Vorgesetzten gesprochen und würden nicht mehr für KSU arbeiten, wenn ich weiterhin als Frau gekleidet zur Arbeit käme. Das war mir sehr unangenehm, und ich dachte schon, dass es mit meiner Karriere jetzt vorbei sei. Denn für mich kam es nicht infrage, meine weibliche Seite weiterhin zu unterdrücken.“

Doch das Unternehmen stand hinter ihm, und sowohl sein Vorgesetzter als auch seine Kollegen sagten ihm volle Unterstützung zu.

„Ich bin niemandem begegnet, der nicht auf meiner Seite war. Allerdings kam, als ich das LGBT-Netzwerk bei KSU ins Leben rief, jemand auf mich zu und stellte die Frage, ob wir denn ‚auf Arbeit wirklich über Sex reden müssten?‘ Doch darum geht es gar nicht. Vielmehr geht es um Identität. Darum, dass man mit seinen Kollegen beim Kaffee ganz offen darüber sprechen kann, mit wem man seine Freizeit verbracht hat.“ 

Peter Andersen, der aktuelle Vorgesetzte von Tinahåkan Jönsson

„Wir alle kannten Jönsson von früheren Zeiten in Barsebäck und schätzten seine Kompetenz. Aber würde die Zusammenarbeit auch wirklich funktionieren? Wir waren schließlich nur ein kleines Team mit sieben Leuten, und es war wichtig, dass wir uns alle einig waren, sonst würde es nicht klappen. In einem offenen Gespräch wurde uns allen klar, dass wir ihn aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung einstellen wollten – und weil er ein guter Mensch ist. Da war es ziemlich egal, dass er Transvestit ist. Nachdem wir das erkannt hatten, war es selbstverständlich, dass wir immer hinter ihm stehen würden, auch wenn es mal Probleme mit Leuten außerhalb unseres Unternehmens geben sollte. Wir machten deutlich, dass wir mit intoleranten Leuten nicht zusammenarbeiten würden.“

Anonymer Mitarbeiter arbeitet im technischen Bereich bei Vattenfall in Hamburg  

Fragen nach meinem Privatleben weiche ich aus. Wenn ich vom Wochenende oder Urlaub erzähle, dann in der Ich-Form, mein Partner bleibt außen vor. Wenn mich mein Partner zur Arbeit bringt, dann gibt es den Abschiedskuss schon immer zwei bis drei Kreuzungen vor der Arbeit.

Nur ein paar sehr enge Kollegen kennen meine Situation, allerdings auch nur durch Zufall.

Ich habe das Gefühl, dass schwul sein noch immer irgendwie komisch ist. Manchmal hört man abfällige Machokommentare, besonders in einem technischen Umfeld mit vielen Männern. Ich finde schon, dass Schwule in vielen Situationen anders behandelt werden.

 

Ronald Stahli arbeitet als Operational Accountant Manager B2B in Amsterdam.

Er ist Gründer des LGBT-Netzwerks bei Nuon  Da ich selbst völlig offen mit meiner Homosexualität umgehe, fand ich es wichtig, mich für mehr Toleranz in unserem Unternehmen einzusetzen. Deshalb habe ich zusammen mit Kamal Bergman das LGBT-Netzwerk bei Nuon ins Leben gerufen.

Seit letztem Jahr ist Nuon bei WorkPlace Pride dabei, einer Organisation, die Unternehmen über ein LGBT-Netzwerk zusammenführt sowie Konferenzen und Workshops zu LGBT-Themen organisiert. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal bei der Amsterdam Gay Pride und EuroPride mitgemacht.

Bei Nuon sind wir auf einem guten Weg. Aber ich denke auch, dass es noch eine Menge zu tun gibt. Nuon könnte zum Beispiel das Thema LGBT zu einem Bestandteil unserer Marketingaktivitäten machen.

 

Anmerkungen von Diversity & Inclusion Officer Annika Viklund  

Es ist kaum zu glauben, dass im Jahr 2016 immer noch manche fürchten, nicht respektiert zu werden, wenn sie sich als LGBT outen. Dies bestärkt mich umso mehr in meiner Überzeugung, dass wir Inklusion und Toleranz in das Alltagsleben integrieren müssen, und zwar durch Schulungen, Vorbilder und starke Unterstützung von uns allen. Außerdem müssen wir uns gegenseitig Respekt entgegenbringen.

 

Anmerkungen von Kerstin Riesch, Mitbegründerin des Diversity-Netzwerks bei Vattenfall in Deutschland  

Die Diskussionen, die wir im Netzwerk führen, zeigen sehr deutlich, dass gerade in den klassisch technischen Bereichen das Thema tabuisiert wird.

Herrscht bei Vattenfall Homophobie?  

Nicht, dass ich wüsste. Das heißt aber nicht, dass es diese Einstellung nicht gibt. Ich glaube, das liegt zum Teil auch daran, dass viele Mitarbeiter ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich machen. Diese Selbstverleugnung kann sich lähmend auf die Persönlichkeit auswirken – dann zahlt man einen hohen Preis.

TEXT Johannes Nohl

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Von links oben nach rechts unten: Emil Rathenau und Thomas Alva Edison 1911 im Maschinenraum des Kraftwerks Moabit; Stiftungsurkunde anlässlich des 70. Geburtstages von Emil Rathenau für verdiente Beamte der AEG und BEW 1915, Warte des Kraftwerks Klingenberg 1928, Beleuchtungsgebiete der BEW 1884-1896, Stromversorgung im geteilten Berlin, Darunter der Blick in den 380kV-Tunnel, "Die Berliner Elektrizitätswerke" gestaltet von Ludwig Sütterlin 1896 , Ernst Reuter am Modell des HKW West auf der Frühjahrsmesse 1949, Leuchtlogo der Bewag, das erste Kraftwerk Deutschland im Hinterhof der Markgrafenstraße 43 und darunter Heizkraftwerk Reuter West.

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