Klingenberg Verwaltungsgebaeude

Wie die Energiewende den Arbeitsalltag verändert

Wenn Energiewende und Wärmewende so richtig in Fahrt kommen, ist das auch hinter den Kulissen im Arbeitsalltag spürbar. Was das für die Kraftwerker bedeutet, weiß Volker Penndorf. Er arbeitet bereits drei Jahrzehnte im Heizkraftwerk Klingenberg, das von Braunkohle auf Gas umsattelte.

Im Berliner Heizkraftwerk Klingenberg hat die Energiewende Einzug gehalten: Die Braunkohle-Anlage ist stillgelegt und Berlin wird damit sauberer. Mit der Umstellung auf Gas können 600.000 Tonnen CO2-Emissionen jährlich eingespart werden. Unbestritten ein wichtiges Signal für Berlin und für Vattenfall. Welche Konsequenzen hat dieses Signal jedoch für die Mitarbeiter im Kraftwerk?

Das ist nicht nur ein Job 

Volker Penndorf kennt sich aus in Klingenberg. Er hat hier schon ‚als junger Bursche' angefangen und die Anlage Stück für Stück mit umgerüstet. Seit 1980 verbringt er hier seinen Arbeitsalltag. „Aber das ist für mich nicht nur ein Job", sagt der gebürtige Thüringer stolz. Sogar zu Hause spricht er von ‚seinem Kraftwerk' und schwärmt: „Die Arbeit ist abwechslungsreich und macht Spaß. Das Team ist toll. Was will man mehr?"

So sehen es auch die meisten seiner Kollegen in Klingenberg. Herausforderungen habe es in der Vergangenheit viele gegeben, aber nichts sei unmöglich und es gibt immer eine Lösung. Vor Jahren wurde die Anlage in Klingenberg schon einmal umgestellt, und zwar von Steinkohle auf Braunkohle. Neue Kessel mussten gebaut werden. Penndorf schmunzelt: „Ich erinnere mich an den Umbau und an stressige 36-Stunden-Tage. Da war ein kleines Nickerchen auf der Werkbank keine Seltenheit." Das war vor 1989, und ist es ist lange her; heute undenkbar.

Eine der letzten Kohlelieferungen im Heizkraftwerk Klingenberg

Modernisierungsarbeiten machen uns wettbewerbsfähig 

Nur, weil ein Energieträger wegfällt, müssen die Mitarbeiter nicht umschulen. „Wir arbeiten doch schon jahrelang mit Gas, wenn auch bisher in der Kombination mit Kohle", berichtet der Teamleiter. Im Heizkraftwerk Klingenberg gebe es ständig Veränderungen. Zum Beispiel wurde das Leittechniksystem umgestellt und ist damit effizienter. Eine weitere Investition kam dem Gaskessel zugute, der dadurch für eine längere Laufzeit gewappnet ist. Die Anlage soll wettbewerbsfähig bleiben und perspektivisch gemeinsam mit dem Heizkraftwerk Marzahn fast den gesamten östlichen Teil mit Strom und Fernwärme versorgen.

Ein kleiner Teil Geschichte geht verloren 

Die Umstellung auf Erdgas bezeichnen alle stolz als Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität Berlins, denn jährlich können fast 600.000 Tonnen CO2 reduziert werden. Durch den Wegfall der Kohle gibt es weniger Aufgaben: Die komplette Rauchgas-Entschwefelungsanlage fällt weg, ebenso die Bekohlungs- und Entaschungsanlagen sowie die kohlegefeuerten Dampferzeuger. „Obwohl das hundertprozentige Verständnis fürs Umsatteln auf Erdgas bei den Kraftwerkern da ist – vor allem in Hinblick auf eine saubere Zukunft für die eigenen Kinder – höre ich zuweilen nachdenkliche Stimmen auf den Fluren", bemerkt Volker Penndorf.

„Auch für mich geht ein Teil meiner Geschichte verloren. Denke ich andererseits an unsere Kraftwerksplanung in knackig kalten Wintern, hat das Abschalten der Braunkohle-Anlage etwas Gutes: Mindestens einen Tag vorher musste klar sein, wie viel Wärme Berlin braucht und ob die Spree als Zufahrtsweg nicht zufriert. Fällt uns ein Dampferzeuger aus und läuft deswegen der Kohleplatz über? Fragen wie diese beunruhigen uns jetzt nicht mehr." Jetzt konzentrieren sich die Kollegen auf die verbliebenen Aufgaben.

Damit die Gesundheit nicht auf der Strecke bleibt 

Um der neuen Arbeitssituation gerecht zu werden, gibt es seit kurzem ein neues Schichtmodell im Heizkraftwerk Klingenberg. Aus dem Vier- ist ein Fünf-Schicht-System geworden. Volker Penndorf beobachtet die Veränderung: „Jetzt freuen sich die Kollegen und ihre Familien über zwei freie Wochenenden im Monat und eine 5- statt 7-Tage-Woche. Es sei der Gesundheit zuträglicher, da Schichtarbeit ohnehin schwerlich mit dem Bio-Rhythmus unserer inneren Uhr einhergehe.

In Klingenberg ist immer etwas los 

Ob Bootsdemo von Anti-Kohle-Gegnern, Filmdrehs oder DRK-Rettungsübungen, „bei uns in Klingenberg ist immer etwas los", freut sich Penndorf über das Interesse. Gern gesehen seien interessierte Bürger, die nach Kraftwerksbesichtigungen fragen. Einige Kollegen bieten diese am Wochenende in ihrer Freizeit an. „Der Aha-Effekt bei den Besuchern ist groß. Von außen ist ja nicht erkennbar, wie interessant ein Kraftwerk sein kann und wie hoch der Aufwand zur Strom- und Wärmeerzeugung ist", weiß er. Es gibt viele sehenswerte Ecken auf dem Gelände, und das wird so bleiben. Egal, mit welchem Brennstoff die Anlage arbeitet.

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