Vielfalt ist der Schlüssel zum Erfolg
Die Begriffe Vielfalt und Inklusion werden im öffentlichen Dialog und in den sozialen Medien gewöhnlich in einem Atemzug genannt. Für Torbjörn Wahlborg, Chef der Business Area Generation bei Vattenfall, sind sie zwei Seiten derselben Medaille. Vielfalt bedeutet, dass alle Beschäftigten und Kunden über alle Märkte hinweg unterschiedlich sind, sei es hinsichtlich geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung, Ausbildung, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Familienstand oder Glauben. Inklusion heißt, das Beste aus diesen Unterschieden zu machen – im Interesse der Kunden und des eigenen Unternehmens.
Torbjörn Wahlborg, warum ist es für ein Unternehmen wichtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, die sich in Herkunft, Glauben, kulturellem Hintergrund, Alter und sexueller Orientierung unterscheiden?
Torbjörn Wahlborg: Ein Unternehmen sollte die Gesellschaft widerspiegeln – und die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sichtbar verändert. Als Energieversorger mit einem vielfältigen Kundenstamm über alle Märkte hinweg ist es für Vattenfall essenziell, diese Vielfalt sowohl im Innern als auch durch unser externes Auftreten zu spiegeln. Meine Erfahrung ist, dass vielfältige Teams einem Unternehmen nur Vorteile bringen. Sie denken kreativer, liefern mehr und häufig auch bessere Problemlösungen und ein breites Spektrum an Ideen. Wie die gesamte Branche steht Vattenfall vor großen Herausforderungen. Kreativität bei Lösungsansätzen und neue Ideen werden einer der Schlüssel zu künftigem Erfolg sein.
Was sind denn die größten Herausforderungen auf dem Weg zu einem vielfältigeren Unternehmen? Und wo sehen Sie bei Vattenfall Verbesserungsbedarf?
Wir müssen über alle Länder und Disziplinen hinweg verstehen, dass eine größere Vielfalt eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten ist. Hierfür müssen wir die Haltung der Entscheidungsträger verändern, indem wir noch offener bei Einstellungsprozessen sind und auch verstärkt Kandidatinnen und Kandidaten zu Gesprächen einladen, die sich von den „üblichen Verdächtigen“ unterscheiden.
Aber Schweden ist anders als die Niederlande und die Niederlande sind wiederum nicht Deutschland. Die Märkte haben jeweils eigene Regeln und Strukturen. Es lässt sich aber sicher sagen, dass die Niederlande gewöhnlich sehr weit vorne sind, wenn es um Vielfalt und Inklusion in allen Lebensbereichen geht. Ich erinnere mich an ein besonders positives Erlebnis, das ich beim Besuch des niederländischen Kundenservice hatte. Dort arbeiteten Kollegen mit 60 verschiedenen ethnischen Hintergründen und Sprachen. Es war großartig! In Schweden und Deutschland sind wir leider noch nicht so weit. Aber wir arbeiten daran, auch hier noch mehr Vielfalt zu erreichen.
Wie stellt ein Unternehmen wie Vattenfall sicher, dass Vielfalt intern ein anerkanntes Thema wird, gerade auf dem Management-Level?
Wir bieten im Unternehmen sogenannte Achtsamkeits-Workshops für alle Beschäftigten an, aber natürlich steht und fällt alles mit den Managerinnen und Managern. Vielfalt und Inklusion gehören zu unseren Kernwerten und werden fortlaufend vom Management-Team auf ihre Umsetzung hin überprüft. Wir engagieren uns zudem in verschiedenen Initiativen und bei Veranstaltungen, beispielsweise dem Gay Pride in Amsterdam, dem Christopher Street Day und der Charta der Vielfalt in Deutschland oder dem „100 Club“ in Schweden. Hierbei verpflichten sich Unternehmen, bis 2018 mindestens 100 Flüchtlinge zu beschäftigen.
Wie viel „Zwang” halten Sie für angebracht, um im Unternehmen ein nachhaltig toleranteres Klima zu schaffen? Helfen verbindliche Quoten oder reicht es, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu appellieren?
Vielfalt und Inklusion sind ein essentieller Teil der Unternehmenskultur, müssen aber auch gelebt werden. Ich bin deshalb der Meinung, dass entsprechende Workshops für alle Führungskräfte und deren Teams verpflichtend sein sollten.
Wenn ich mich in meinem eigenen Team und meinem Geschäftsbereich umsehe, dann sehe ich da kein großes Problem. Warum auch? Wir haben verpflichtende Trainings in anderen Bereichen, die für das Wohlbefinden der Beschäftigten wichtig sind – z. B. bei Gesundheit und Sicherheit. Darüber regt sich ja auch niemand auf. Schließlich profitieren am Ende alle davon.
Wenn es um Quoten geht, ist es nicht ganz so einfach. Zum Beispiel streben wir eine 35-Prozent-Quote für Frauen in Führungspositionen bei Neueinstellungen an. Derzeit sind es 32 Prozent. Wenn man aber ein Arbeitsumfeld betrachtet, das über Jahrzehnte hinweg von Männern bestimmt wurde, dann ist es nicht realistisch, einen radikalen Wechsel innerhalb eines oder zwei Jahren herbeizuführen. Deshalb müssen die Quoten immer auch die Realitäten berücksichtigen. Veränderung braucht Zeit, aber man muss das Ziel mit Bestimmtheit verfolgen und sicherstellen, sich bei jeder Neueinstellung ein bisschen mehr zu öffnen.
Alle Maßnahmen werden nicht dazu führen, das Problem der Diskriminierung völlig aus der Welt zu schaffen. Wie geht das Unternehmen mit Beschwerden um?
Vattenfall hat eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Diskriminierung in jedweder Form! Bei einer Beschwerde kommt es daher zu einem offenen Gespräch mit allen Beteiligten und manchmal auch einem externen Mediator. Jeder Fall muss natürlich individuell betrachtet werden und entsprechend variieren auch die Konsequenzen. Manchmal genügt ein Gespräch, um das Problem aus der Welt zu schaffen, manchmal müssen – oder wollen! – Beschäftigte in andere Teams versetzt werden oder müssen im schlimmsten Fall zum Schutz der Opfer das Unternehmen verlassen. Oberste Priorität ist für uns immer, uns des Problems anzunehmen und dafür zu sorgen, dass es sich nicht wiederholt.