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Toleranz macht alles einfacher
Dibe Soueid ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Sie stammt aus einer Familie mit Migrationshintergrund. Die 23-Jährige berichtet über ihren Arbeitsalltag mit Kopftuch und ihre Meinung zur aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, das es Unternehmen ermöglicht, das Tragen von religiösen, politischen und weltanschaulichen Symbolen während der Arbeit zu verbieten.
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Dibe Soueid auf der Jobbörse 2016 im Gespräch mit Besuchern
Ein Mitte März vom Europäischen Gerichtshof verabschiedetes Urteil ermöglicht es Unternehmen, das Tragen von religiösen, politischen und weltanschaulichen Symbolen während der Arbeit zu verbieten. Als Mitarbeiterin der Vattenfall Wärme Berlin hatte ich keine Sekunde Angst, dass mir mein Kopftuch nun untersagt werden würde. Doch für viele andere muslimische Frauen ist diese Entscheidung eine schwere Bürde.
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Dibe (Bildmitte) im Kreise der Kollegen, Foto: Vattenfall
Zugegeben, ich bin kaum zu übersehen. Als einzige Kopftuchträgerin von 1.800 Kolleginnen und Kollegen im Wärmebereich bei Vattenfall in Berlin, falle ich im Unternehmen sofort auf. Wenn ich in der Kantine sitze, wandern schon mal die Augenpaare wie zur Vergewisserung herüber: Eine Muslima bei uns? Ja! Und zwar schon seit dreieinhalb Jahren.
Vielfalt in der Schulkommunikation
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Dibe Soueid bei einem Projekttag mit Schülern, Foto: Vattenfall
Nach meinem Abitur begann ich im September 2013 eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. Im Januar 2016 lernte ich vorzeitig aus und arbeite jetzt im Bereich Schulkommunikation. Mit den Kolleginnen verstand ich mich von Anfang an sehr gut. Wir organisieren Lehrerfortbildungen, stellen Unterrichtsmaterial zur Verfügung und führen Projekttage durch. Die Arbeit macht Spaß, ich fühle mich wohl.
Eine Entscheidung ohne Wenn und Aber
Mein Kopftuch war während meiner Tätigkeit noch nie ein Thema. Zumindest nicht im negativen Sinne. Vattenfall bekennt sich zur Vielfalt und will, dass sich die Gesellschaft als Ganzes auch in der Belegschaft widerspiegelt. Darüber bin ich froh. Denn eine Alternative zum Kopftuchtragen habe ich nicht. Es ist eine Entscheidung ohne Wenn und Aber. Ich kann es in der Öffentlichkeit nicht einfach mal so verbergen oder ablegen. Eine Kette mit einem Kreuz lässt sich auch verdeckt tragen, beim Kopftuch geht das nicht.
Zwischen allen Stühlen
Muslimische Frauen, die bei der Arbeit kein Kopftuch tragen dürfen, haben ein großes Problem. Wenn sie nicht gegen ihr religiöses Empfinden handeln wollen, müssen sie kündigen. Das heißt, ihre Unabhängigkeit und die beruflichen Möglichkeiten werden eingeschränkt. Sie verlieren ihr Einkommen und eine Aufgabe, die ihnen vielleicht Spaß gemacht hat und sie mit Stolz erfüllt. Im Sinne der Integration und Vielfalt ist das sicher nicht. Deshalb bin ich froh, dass bei Vattenfall nicht wichtig ist, welcher Glaubensrichtung man angehört, ob man ein Kreuz, ein Kopftuch oder eine Kippa trägt.
Miteinander reden hilft
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Dibe Soueid während eines Projekttages in einer Neuköllner Schulklasse, Foto: Vattenfall
Ich freue mich, wenn ich auf das Kopftuch angesprochen werde. Ich rede gern über dieses Thema. Auch wenn mir klar ist, dass unsere Beweggründe nur diejenigen richtig verstehen können, die selbst damit aufgewachsen sind. Was völlig normal ist. Ich verstehe ja manche deutsche Tradition auch nicht. Doch mit gegenseitiger Toleranz geht alles viel einfacher.