Vortrieb Abbau Erdreich

Fernwärmetunnel unterquert Autobahn

Berlin wächst unaufhaltsam - und damit auch der Bedarf an Fernwärme. Die Vattenfall Wärme Berlin AG stellt sich dieser Aufgabe: Jährlich wächst das inzwischen rund 2.000 Kilometer lange Fernwärmenetz um rund 20 Kilometer.

Jüngstes spektakuläres Großprojekt ist ein Fernwärmetunnel in Tempelhof-Schöneberg unter der Stadtautobahn A103 und der S-Bahn-Trasse der Linie 1 Wannsee-Oranienburg. Er wird ab September 2018 die lokalen Wärmenetze zwischen den Heizkraftwerken Lichterfelde und Wilmersdorf verbinden.

Luftbild Unterquerung  A103 Fernwärmeverbindung

Offenes Rohrvortriebsverfahren

„Damit können wir die Fernwärmeversorgung künftig zweigleisig fahren“, sagt der zuständige Bauleiter Eckhard Kruschel und steigt hinab in die Baugrube direkt an der A 103 Ecke Menzelstraße/ Rembrandtstraße. In neun Metern Tiefe offenbart sich ein gigantischer Tunnel aus Stahlbeton – 114 Meter lang und mit einem Durchmesser von zwei Metern. Dieser Tunnel ist Ende Januar im offenen Rohrvortriebsverfahren entstanden. Dabei wird zunächst mit Spezialtechnik ein Hohlraum gebaggert, in den anschließend das Stahlbetonrohr gepresst wird.

Fernwärmetunnel ist im offenen Rohrvortriebsverfahren entstanden. © X21de

Das abgetragene Erdreich wird über Förderbänder in die Startgrube gebracht und von dort aus verladen und abgefahren. „Wir konnten dieses offene System hier einsetzen, weil kein Grundwasser vorhanden ist. Auch die Bodenbeschaffenheit war optimal. Der Baugrund besteht durchweg aus „Sand“, so Bauleiter Kruschel und fügt hinzu, dass zum Glück auch keine Findlinge und andere Zeugnisse der Geschichte gefunden wurden. So konnte der 114 Meter lange Betontunnel in nur einer Woche unter Autobahn und S- Bahn „durchgeschoben“ werden. Täglich wurden in zwei Schichten rund 20 Meter Stahlbetonrohr durchs sandige Erdreich gepresst.

Rohrverlegung

In den darauf folgenden Tagen stand die nächste Rohrverlegung an. In dem mannshohen und auch künftig begehbaren Tunnel wurden drei Fernwärmeleitungen mit den Nennweiten DN 300, 400 und 150 eingezogen. Die einzelnen längsnahtgeschweißten Stahlrohre (sechs Meter Lieferlängen) wurden in der Startbaugrube zusammengeschweißt, geröntgt, einer Dichtigkeitsprüfung unterzogen und auf Rollen mittels einer Winde in das Stahlbetonrohr eingezogen. Parallel zur Rohrmontage wurde auch eine Kabeltrasse gezogen, um Messdaten direkt aus dem Tunnel an die Wärmewarte in Prenzlauer Berg senden zu können.

Berohrung durch den 14 Meter tiefen Einstiegsschacht. © X21de

Nun wird der Ausbau und die Berohrung der beiden bis zu 14 Meter tiefen Einstiegsschächte neben Autobahn und S-Bahn-Trasse durchgeführt. Das heißt, die Schächte werden ausbetoniert, erhalten Entwässerungssysteme, Bedienbühnen, Armaturen, Steigleitungen, Beleuchtung und Belüftung. Von den Schächten aus erfolgt dann letztlich der Anschluss an die bereits bestehenden Fernwärmeleitungen in der Menzel- bzw. Wilhelm-Hauff-Straße.

Damit sind das Fernwärmenetz Wilmersdorf und Fernwärmenetz Lichterfelde miteinander verbunden. Denn fällt zum Beispiel die Wärmelieferung aus Wilmersdorf aus, kann sofort Wärme aus Lichterfelde fließen. Umgekehrt natürlich genauso. Eckhard Kruschel ist zuversichtlich, dass die Inbetriebnahme der Tunnel-Verbindungsleitung wie geplant am 4. September 2018 erfolgt. „Bisher liegen wir im Plan und auch die eisigen Wintertemperaturen Ende Februar/Anfang März haben den Bauarbeiten nichts anhaben können.“

Die Herausforderungen

Dennoch hat dieses Projekt allen Beteiligten bisher so Einiges abverlangt. Denn die Bedingungen sind alles andere als optimal. „Eine große Herausforderung sind die sehr beengten Baustellenflächen und Zufahrtswege.“ Und wenig Platz erfordert Millimeterarbeit. Der Bauleiter denkt dabei vor allem an die Aufstellung des 160 Tonnen Autokrans auf den nur rund 200 Quadratmeter großen Baustellenflächen, an die Großtransporter, die über die schmalen Straßen die Stahlbetonrohre und Fernwärmerohre angeliefert haben.

Auch die S-Bahn-Gleise stehen unter ständiger Kontrolle und werden mit einem Tachymeter überwacht, um bei einem Absenken der Gleise sofort reagieren zu können. Doch die S-Bahn konnte während der bisherigen Bauzeit reibungslos – wenn auch mit gedrosselter Geschwindigkeit – über die unterirdische Baustelle rollen. Autofahrer auf der Autobahn wiederum bekommen von dem, was in der Tiefe passiert, nichts mit. „Für sie gibt es keinerlei Einschränkungen.“

Persönliche Gespräche und Kontakte

Anders schaut es bei den Anwohnern aus, denen die Baustelle so einige Unannehmlichkeit beschert. Bauleiter Kruschel hat für ihre Probleme immer ein offenes Ohr. „Persönliche Gespräche sind wichtig“, sagt er und weiß aus Erfahrung, dass man damit so manches Anliegen schnell klären kann. Ebenso wichtig ist der Kontakt zu Ämtern, Behörden und Unternehmen, schließlich braucht es für ein Bauvorhaben jede Menge Gutachten, Nachweise, Genehmigungen. So hat es zum Beispiel fast ein Jahr gedauert, um allen Belangen der Deutschen Bahn gerecht zu werden. Auch musste sichergestellt werden, dass ein naheliegender Discounter beliefert werden kann. Doch Eckhard Kruschel und seine Mitstreiter stellen sich diesen Aufgaben – schließlich geht es darum, die Berliner zuverlässig mit Fernwärme zu versorgen und die Wärmewende in der Hauptstadt weiter erfolgreich voranzubringen.


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