Gunnar Groebler

„Hamburg bleibt einer unserer wichtigsten Standorte“

Von Wasserstoff als Hoffnungsträger für die Energiewende ist jetzt allerorten zu hören und zu lesen. Und das ist gut so. Denn „grüner“, mit Hilfe von erneuerbarem Strom hergestellter Wasserstoff hat ein erhebliches Potenzial als Energieträger, als Grundstoff für zahlreiche Industriezweige oder als Treibstoff im Verkehrssektor. Wasserstoff hat ein immenses Potenzial, wenn es um die so genannte Sektorenkopplung beziehungsweise die Dekarbonisierung der Industrie und des Verkehrssektors geht. Und das ist dringend nötig, wenn Deutschland seine selbst gesteckten Klimaschutzziele noch erreichen will. Eine unlängst veröffentlichte Forsa-Umfrage bestätigt diesen Trend: Mit 72 Prozent beziehungsweise 71 Prozent sahen die Befragten das größte Klimaschutzpotenzial in der Industrie und im Verkehr – und dort auch das größte Aufholpotenzial. Wie das mit Wasserstoff gelingen kann und wie sich Vattenfall seit dem Verkauf der Kohlesparte bereits bisher neu ausgerichtet hat, darüber sprach Wirtschaftsreporter Olaf Preuß von der WELT mit Vattenfall CEO Magnus Hall und – bei einem Ortstermin an Hamburgs erster öffentlicher Wasserstoff-Tankstelle – mit Gunnar Groebler, der das Geschäft mit den erneuerbaren Energien bei Vattenfall verantwortet. Den Bericht lesen Sie hier.

Durch den erzwungenen Verkauf seines Fernwärmenetzes an die Stadt Hamburg gehen Vattenfall rund 100 Millionen Euro Gewinn im Jahr verloren. Vor allem bei der Energiewende will der Konzern in Norddeutschland nun durchstarten.

Gunnar Groebler an der Wasserstofftankstelle in der Hamburger Hafen City
Gunnar Groebler, Vorstandsmitglied für die erneuerbaren Energien bei Vattenfall, an der Wasserstofftankstelle des Unternehmens in der Hamburger Hafencity

Gunnar Groebler muss noch warten. Ein anderer Kunde steht vor ihm an der Wasserstoff-Zapfsäule in der Hafencity, er betankt einen Hyundai Nexo, der von einer Brennstoffzelle angetrieben wird. Dann ist Groebler dran, Vorstand für erneuerbare Energien bei Vattenfall. Sein Dienstfahrzeug, der weiße Toyota Mirai, ist ebenfalls ein Elektroauto, das mit Wasserstoff und Sauerstoff durch eine Brennstoffzelle mit Strom versorgt wird. Nach drei Minuten ist der Tank voll. Das ist genug Wasserstoff für rund 500 Kilometer Reichweite.

Wasserstoff ist ein Energiespeicher – und ein Hoffnungsträger, auch für Vattenfall, das sein Geschäft immer stärker auf die Energiewende hin ausrichtet. Schon 2012 nahm der Konzern, der dem schwedischen Staat gehört, Hamburgs erste öffentliche Wasserstoff-Tankstelle in Betrieb. „Damals taten wir das mit der Aussicht, 20 öffentliche Busse mit Wasserstoff zu betanken und obendrein private Fahrzeuge“, sagt Groebler.

„Derzeit sind in Hamburg sechs öffentliche Busse mit Wasserstoff-Brennstoffzellen im Einsatz.“ Dafür steigt die Zahl der privaten Wasserstoff-Automobile, seit es erste Serienfahrzeugen von Herstellern wie Hyundai oder Toyota gibt. Noch sind es Exoten, die Busse und Autos wie auch die Tankstellen. Doch das soll sich ändern.

Hoffnungsträger erneuerbare Energien

Mit der Hinwendung zu erneuerbaren Energien und zur Wasserstoffwirtschaft hofft Vattenfall, die Konflikte der vergangenen Jahre allmählich hinter sich zu lassen. Die waren in Hamburg besonders ausgeprägt. 2019 wird der Konzern sein Fernwärmenetz zurück an die Stadt verkaufen. Das ist das Ergebnis des Volksentscheids von 2013. Die Hamburgische Bürgerschaft besiegelte dies am Mittwoch. Das Hamburger Stromnetz hat Vattenfall bereits an die öffentliche Hand zurückgegeben.

Rund 2400 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen derzeit in der Hansestadt. Seine sanierungsbedürftige Zentrale in der City Nord will Vattenfall bis voraussichtlich 2023 zwar aufgeben – nicht aber den Hamburger Markt. Ein neuer Standort wird in der City Nord und im Elbbrückenquartier gesucht. Man sei optimistisch, bald den Mietvertrag zu unterzeichnen, sagte eine Unternehmenssprecherin WELT.

Nach der Abtrennung der Netze soll das Geschäft wieder wachsen – künftig vor allem mit erneuerbaren Energien. Mit dem Verkauf des Wärmenetzes und des Kohlekraftwerks Wedel an die Stadt Hamburg gehen Vattenfall etwa 16 Prozent seines aktuellen Gewinns im Wärmegeschäft verloren, das sind etwa drei Prozent des Konzerngewinns (Ebitda), bezogen auf das Jahr 2017 umgerechnet etwa 100 Millionen Euro. Ein herber Rückschlag zwar, aber aus Sicht des Vorstands kein Grund, sich aus Norddeutschland zurückzuziehen.

„Hamburg bleibt für Vattenfall auch nach dem Verkauf des Fernwärmenetzes einer der wichtigsten Standorte“, sagt Groebler. „Unser Marktanteil am Strommarkt für Privathaushalte liegt bei rund 70 Prozent. Im Geschäft mit der Windkraft ist Hamburg mit rund 200 Mitarbeitern neben London und Kolding der wichtigste Standort. Zudem arbeiten mehr als 300 Mitarbeiter hier im Energiehandel, der Brennstoffbeschaffung und der Einsatzplanung für Kraftwerke.“

Anfang der 2000er-Jahre kam Vattenfall nach Deutschland, mitten hinein in die damals beginnende Energiewende. Der Konzern übernahm in Hamburg das Energiegeschäft der HEW und in Berlin das Portfolio des städtischen Versorgers Bewag. In der Lausitz wurden die Schweden Eigentümer von Braunkohlekraftwerken und Tagebauen. Zeitweise war Vattenfall in Deutschland der drittgrößte Stromversorger.

Den Konflikt um die Energieversorgung kaufte der Konzern mit. Das Kraftwerk Moorburg wurde in Hamburg zum Symbol im Kampf um die Energiewende. Der CDU-Senat unter Führung von Bürgermeister Ole von Beust animierte Vattenfall Mitte der Nullerjahre, im Hafen ein Steinkohlekraftwerk zu bauen, das nicht nur Strom produzieren, sondern auch das alte Kraftwerk Wedel für die Fernwärmeversorgung speziell im Hamburger Westen ersetzen sollte. Den Bau des Großkraftwerks konnten Anlieger und Umweltschützer nicht verhindern, aber die Verlegung der geplanten Fernwärmeleitung. Moorburg liefert heute zwar den größten Teil des Hamburger Stroms, aber keine Gebäudewärme, wofür das Kraftwerk ausgelegt ist.

Energiewende und Atomausstieg veränderten den Konzern. Das Braunkohlegeschäft in Ostdeutschland hat Vattenfall wieder verkauft, seine norddeutschen Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel sind längst abgeschaltet. Nun rückt die Energiewende in den Fokus.

„Innerhalb einer Generation“ wolle man „fossilfrei Energie produzieren“, wirbt Vattenfall mit einer neuen Kampagne auch in Hamburg. „Das bedeutet nicht eine konkrete Jahreszahl wie 2040 oder 2045“, sagte Vattenfall-Konzernchef Magnus Hall WELT, „sondern es bedeutet: Wenn die Kinder, die heute geboren werden, ihrerseits Kinder bekommen, soll Vattenfall in der Lage sein, Strom und Wärme fossilfrei zu erzeugen und eine Infrastruktur für neue Technologien wie zum Beispiel die Elektromobilität bereitzustellen.“

Vattenfall will die Wärmewende

Der Druck auf die Energiebranche wächst, angesichts des Klimawandels noch stärker umsteuern. „Wir wollen für die Wärmeversorgung in den Städten neue, moderne Lösungen finden, vor allem auch auf der Basis erneuerbarer Energien im Rahmen einer ,Wärmewende‘“, sagt Hall. „Das kann künftig auch ein Geschäft mit einzelnen Haushalten oder Wohnungsbaugesellschaften sein. Am Markt wird es nebeneinander dezentrale und zentrale Lösungen geben.“ In Hamburg betreibe man bereits mehr als 100 kleinere Anlagen zur Energieversorgung, speziell Blockheizkraftwerke für Wohnungsgesellschaften, die zugleich Strom und Wärme erzeugen.

„Deutschland bleibt für uns ein Schlüsselmarkt, neben Schweden und den Niederlanden“, sagt Hall. „Wir werden hier keine Möglichkeit ungenutzt lassen, weiter zu wachsen und Teil der notwendigen Veränderung in der Energiewirtschaft zu sein. Wir glauben fest an die Energiewende. Die Geschäftsmöglichkeiten rund um diesen Strukturwandel sind enorm.“

Auch für Moorburg stellt Vattenfall neue Szenarien zur Debatte, um den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zu senken, ohne das Kohlekraftwerk vom Netz nehmen zu müssen, das erst 2015 in Betrieb ging. „Auf Moorburg als zentrales norddeutsches Kraftwerk werden wir in den kommenden Jahren noch nicht verzichten können“, sagt Hall.

„Warum diskutieren wir nicht darüber, ob man solch eine Anlage auch anders als mit Steinkohle betreiben könnte, etwa mit Erdgas? Der Weg hin zum Kohleausstieg in Deutschland muss von vielen unterschiedlichen Diskussionen begleitet werden.“

Die Energiewende voranzubringen, ist im Vorstand von Vattenfall vor allem die Aufgabe von Gunnar Groebler. Der Konzern, der sein Geschäft mit der Windkraft von Hamburg aus steuert, ist in Europa mittlerweile einer der führenden Betreiber von Offshore-Windparks. Bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts will Vattenfall auf der Nordsee sein erstes Meereskraftwerk in Betrieb nehmen, das keine Subventionen der Stromkunden mehr benötigt. Nun geht es geht es vor allem darum, die Energiewende bei der Stromerzeugung auch mit dem Markt für Wärme und Mobilität zu verbinden.

Wasserstoff ist für diese so genannte Sektorkopplung als Energiespeicher ein wichtiges Bindeglied. Vattenfall arbeitet an einer Reihe von Projekten, um Wasserstoff mithilfe erneuerbarer Energien zu gewinnen. In Schweden will der Konzern „grünen“ Wasserstoff in der Stahlindustrie und in der Raffineriebranche einsetzen. In Deutschland hat das Unternehmen vor allem den Mobilitätsmarkt im Blick.

„Wir gehen davon aus, dass man in der Nähe der Küsten – etwa in Brunsbüttel – Strom aus Offshore-Windparks künftig in großem Umfang zur Elektrolyse von Wasserstoff wird nutzen können“, sagt Groebler. „In Schleswig-Holstein bewerben wir uns in einem Konsortium mit Air Liquide um die nächste Generation von Nahverkehrszügen. Alstom will die Züge mit Wasserstoff-Brennstoffzelle liefern und wir den Wasserstoff, der mithilfe von Windstrom gewonnen wird. Damit hätten wir eine durchgehend klimaneutrale Wirkungskette im Bahnverkehr.“

Am Verkehrsmarkt stehe man beim Einsatz von Wasserstoff – anders als bei den Batteriespeichern – noch ganz am Anfang, sagt Groebler: „Wir werden Wasserstoff am Mobilitätsmarkt vor allem dort sehen, wo eine besonders hohe Energiedichte gebraucht wird, im Güterverkehr auf der Straße und bei Antrieben auf der Schiene.“ Auch manches Auto mit Wasserstoff-Brennstoffzelle dürfte in den kommenden Jahren auf Hamburgs Straßen noch hinzukommen. Betankt unter anderem von Vattenfall.

Der Artikel erschien am 19.11.2018 auf WELT online:
„Hamburg bleibt einer unserer wichtigsten Standorte“ von Olaf Preuß

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