Unterwasserminen gefährden Windparks
Die Gefahr lauert in der Tiefe. Unzählige Seeminen und Bomben aus den beiden Weltkriegen liegen noch auf dem Meeresgrund von Nord- und Ostsee. Viele davon sind scharf und können jederzeit hochgehen. Damit sie nicht den Bau oder Betrieb von Windparks gefährden, lässt Vattenfall die Meeresgebiete im Vorfeld absuchen. Die explosiven Kriegsandenken werden dann gezielt gesprengt.
Zerstörung einer Seemine am Windpark Horns Rev 3 in der Nordsee 2016. Der mit 70 Kg Sprengstoff geladene Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg war immer noch scharf.
Im Herbst dieses Jahres will Vattenfall die Fundamente für zwei Windparks errichten: Vesterhav Syd in der Nordsee und Kriegers Flak in der Ostsee. Doch vorher muss an den vorgesehenen Stellen der Meeresgrund nach Bomben und Minen aus den letzten beiden Weltkriegen abgesucht werden. Man geht davon aus, dass noch etwa 5.000 bis 6.000 solcher Minen in dänischen Gewässern liegen. Viele von ihnen stecken als Blindgänger im Meeresboden versteckt und können auch heute noch, über siebzig Jahre nach Kriegsende, erheblichen Schaden anrichten.
„Zurzeit läuft die Ausschreibung für die Minensucharbeiten. Wenn alles planmäßig läuft, können wir im August mit dem Suchschiff auslaufen", erklärt Dorthe Reng Erbs-Hansen, Senior Geophysikerin bei Vattenfall. „Die meisten Funde, auf die das Minensuchschiff stoßen wird, sind weder gefährlich und spektakulär", erklärt sie. „Höchstwahrscheinlich werden es größtenteils Metallabfälle wie Ankerketten, Drahtseile, ein Heizkörper oder ein Fahrrad sein". In dieser Phase wird ersteinmal nur alles Metallene aufgespürt. Erst später wird dann untersucht, ob einer der Funde Sprengstoff enthält.
Scharfe Minen
Eine alte Weltkriegsmine auf dem Meeresgrund am Windpark Horns Rev 3. Die Aufnahme machte ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug. Geschätzte 5000-6000 solcher Minen lagern noch in dänischen Gewässern.
Ein Sprengstofffund ist nicht so abwegig. Als vor drei Jahren der Windpark Horns Rev 3 entstand, wurden im Vorfeld tatsächlich drei nicht detonierte Minen gefunden. Zwei der Minen stammten aus dem 1. Weltkrieg und waren relativ klein, so dass sie sicher geräumt werden konnten. Die dritte Mine war eine sogenannte LMB-Mine aus dem 2. Weltkrieg mit einer Sprengladung von 700 Kilogramm, was aufwändigere Maßnahmen erforderte. Hierfür war das Kommando der dänischen Flotte zuständig. Sie operierten mit einem Schlauchboot von einem größeren Schiff aus. Ein Taucher brachte Sprengstoff an und kehrt zum Boot zurück. Mithilfe einer Zündleitung und eines Zünders wurde die Mine kontrolliert gesprengt. Dorthe Reng Erbs-Hansen erklärt: „Für solche Fälle werden wir auch bei der aktuellen Suche Spezialisten vom Kampfmittelräumkommando der dänischen Marine auf dem Schiff haben. Diese Experten können definieren, ob es sich bei den Funden um Blindgänger oder um harmlosen Schrott handelt."
Gefahr liegt bei 1-5 Prozent
Um gefährlichen Minen auf die Spur zu kommen, wurden die Gebiete der Windparks Vesterhav Syd und Nord bereits im vergangenen Jahr auch geophysikalisch untersucht. Ein Schiff kreuzte dabei über dem betreffenden Gebiet und maß mit Magnetometer, Sonar und Fächerecholot, wo das Magnetfeld am Meeresboden vom Rest des Untergrunds abweicht. Da von Menschen geschaffene Materialien wie Eisen oder Stahl andere Magnetwellen erzeugen als Felsen oder Steine, kann man auf diese Weise ungewöhnliche Objekte orten. 22 Stellen wurden dabei gefunden, an denen die Messungen aufgrund von Abweichungen im Magnetfeld unklare Ergebnisse gebracht haben. „Bei Kriegers Flak damals waren es sogar 170 solcher Stellen", berichtet die Geophysikerin. „ In der Regel stellen sich ein bis fünf Prozent dieser Felder wirklich als gefährliche Objekte heraus".
Drei Schiffswracks geortet
Die Suche fördert oft auch andere interessante Dinge zutage. Bei einer ähnlichen Untersuchung bei Kriegers Flak fanden die Kollegen der Dänischen Marine ein altes verrostetes U-Boot-Sperrnetz aus dem Kalten Krieg. Und in der Nähe des geplanten Windparks Vesterhav Nord wurden bei Voruntersuchungen drei Schiffswracks geortet. Da nicht auszuschließen ist, dass die Wracks über 100 Jahre alt und von besonderer kulturhistorischer Bedeutung sind, womit sie unter das Denkmalschutzgesetz fallen, werden sie jetzt genauer untersucht.
Mit High-Tech gegen alte Bomben
Um herauszufinden, was genau sich hinter den Mess-Ausschlägen verbirgt, kommt eine ganz spezielle Ausrüstung zum Einsatz. Dazu führt das Minensuchschiff ein ferngesteuertes Suchfahrzeug mit, das mit Technik für elektromagnetische und akustische Messverfahren ausgestattet ist. Auch eine Kamera, eine Sonarausrüstung und ein kleiner Bagger sind mit an Bord. Die Crewmitglieder der Marine bringen noch weitere Container mit Material mit – unter anderem Sprengstoff, mit dem sie gegebenenfalls die Blindgänger zur Detonation bringen können. In ihrer Entscheidungshoheit liegt es, wie verfahren wird, wenn wirklich ein scharfer Sprengkörper am Meeresgrund entdeckt wird. In manchen Fällen können die Funde aus dem Gebiet weggebracht werden, in anderen Fällen kann es die beste Lösung sein, sie zu sprengen und die Überreste zu entsorgen.
Dorthe Reng Erbs-Hansen wird zeitweise auf dem Schiff mit dabei sein, das schon bald zur Suche auslaufen soll: „Wir beginnen unser Unterfangen in der Nordsee, denn dort können die Witterungsbedingungen schwieriger sein und die Untersuchungen langwieriger machen. Das Gebiet in der Ostsee nehmen wir uns dann später vor. Ende Oktober wollen wir mit beiden Gebieten fertig sein. Dann können ohne Gefahren aus der Tiefe die Fundamente für die Windturbinen errichtet werden".