Die Energiewende geht von den Städten aus

Im Rahmen der Berliner Energietage diskutiert Stefan Preidt von der Vattenfall Wärme Berlin am 29.4.2021 über die urbanen Infrastrukturen der Zukunft.

Der Trend zur Urbanisierung hält an. Bereits heute leben weltweit mehr als die Hälfte der Menschen in Städten, 2050 werden es zwei Drittel sein. Über 70 Prozent der benötigten Energie(n) werden in Städten verbraucht, davon rund 30 Prozent für Raumwärme, Kühlung und Warmwasser. Das bedeutet, die Energiewende muss in den Städten stattfinden, im Gebäudebestand, in der Wärmeversorgung, im Verkehr. Im Gegenzug bergen urbane Infrastrukturen aufgrund ihrer Größe und Vernetzung erhebliche Hebel – etwa für Effizienzverbesserungen, die Einbindung erneuerbarer Ressourcen, Elektrifizierung.

Stefan Preidt

Stefan Preidt von der Vattenfall Wärme Berlin

Für eine nachhaltige Transformation unserer urbanen Infrastrukturen kommt es daher darauf an, sie besser aufeinander abzustimmen.

Im Rahmen der Berliner Energietage diskutieren am 29.4.2021 Dr. Jörg Lippert vom BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V., Prof. Elke Pahl-Weber von der TU Berlin, Christian Hochfeld von der Agora Verkehrswende und Stefan Preidt von der Vattenfall Wärme Berlin über die urbanen Infrastrukturen der Zukunft. Hier erläutert Wärme-Vertriebsleiter Stefan Preidt vorab seine Perspektive auf die Potenziale urbaner Infrastrukturen für die Berliner Wärmewende.

 
1.   Herr Preidt, Sie nehmen an einer Diskussionsrunde bei den Energietagen 2021 teil, in der es darum geht, mit welchen Infrastrukturen in Berlin die Energiewende gelingen kann. Dürfen wir Sie vorab um eine Art ‚Eingangsstatement‘ bitten?

Stefan Preidt: Städte und so auch Berlin sind gigantische Energiekonsumenten, bieten aber mit ihren Infrastrukturen zugleich große Hebel für die Umsetzung der Energiewende. Berlin hat dabei mit seinem etablierten Fernwärmesystem einen Standortvorteil. Deshalb sprechen wir auch viel lieber von „Stadtwärme“, denn dieses System ist ein Teil der Stadt, die Wärme wird ganz lokal erzeugt und verbraucht. Die Stadtwärme eignet sich zum Beispiel besonders gut, um Erneuerbare Energien aus dem Umland aufzunehmen und beispielsweise durch Power-to-Heat-Anlagen effizient zu nutzen.

Illustration - Power-to-Heat-Anlage

Illustration einer Power-to-Heat-Anlage

Anders als München oder Hamburg hat Berlin keine wesentlichen Potenziale zur Nutzung von Geothermie oder Industrieabwärme. Wollen wir die Wärmeversorgung grüner und perspektivisch klimaneutral machen, müssen wir schnellstens Antworten finden und Lösungen entwickeln zu der Frage: Wie bringen wir die Erneuerbaren Energien, also vor allem den Wind- und Sonnenstrom aus dem Umland in die Stadt?

2.   Ohne gewaltige Investitionen und vermutlich auch steigende Energiepreise wird es wohl nicht gehen. Was kostet die Energiewende in Berlin und was wird der Kunde davon spüren?

Die Kosten für die Energiewende werden wir alle zu schultern haben, die gibt es nicht zum Nulltarif. Und ja, tatsächlich stellen wir daher seit dem letzten Jahr auf ein neues Preissystem für die Stadtwärme um. Das ergibt sich einfach daraus, dass wir auch bei sinkendem Wärmebedarf durch wärmere Winter dennoch die Kapazitäten für sehr kalte Tage bereithalten müssen und Investitionen in den Ausbau der Stadtwärme zu finanzieren sind.

Aber Tatsache ist auch: Mit der Stadtwärme wird die Energie- und Wärmewende deutlich günstiger gelingen als etwa mit einer Vielzahl von lokalen Heizungssystemen, auf die perspektivisch steigende CO2-Abgaben fällig werden. Die Stadtwärme ermöglicht es Berlin und der Wohnungswirtschaft ihre Klimaziele auf bezahlbarem Wege zu erreichen. Müsste die Wohnungswirtschaft beispielsweise die Wärmewende allein mit Sanierungen stemmen, würde dies unbezahlbar. Wir haben berechnet, dass die Berliner Wohnungswirtschaft, um die Klimaziele im sogenannten Bestand rein durch Sanierung der Gebäudehülle zu erreichen, etwa 80 Milliarden Euro investieren müsste. Erhöhen wir bei einer realistischen Sanierungsrate aber den Anteil von Stadtwärme in der Versorgung des Gebäudebestandes, erfordert dies einen Bruchteil finanzieller Mittel – wir reden dann über etwa 10 Milliarden Euro.

3.   Welche Potenziale bietet denn die Koordination der urbanen Infrastrukturen? Müssen wir unsere Städte und Quartiere komplett umkrempeln?

Auf keinen Fall – es geht ja gerade darum, die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen. Im Schulterschluss der urbanen Infrastrukturen geht das viel besser. Keiner will auf den wunderbaren Altbaubestand Berlins verzichten, obgleich dort die Möglichkeiten einer energetischen Sanierung begrenzt sind. Aber hier können wir mit der Stadtwärme einiges erreichen.

Bei der Planung neuer Quartiere müssen eine ressourcen- und klimaschonende Energieversorgung, aber auch passende Mobilitätskonzepte von Anfang an gemeinsam gedacht werden. Das bietet die Chance für nachhaltige Lösungen auf lange Sicht. Je nach individueller Anforderung an Wohnen, Arbeiten und Gewerbe, aber auch in Abhängigkeit vorhandener örtlicher Gegebenheiten zur Nutzung lokaler Ressourcen können mit der Stadtwärme sehr effiziente und nachhaltige Konzepte umgesetzt werden. Es gibt für die richtige Versorgung von Quartieren keine Standardlösung. Aber es gibt standardisierte Lösungen, die modular ineinandergreifen können und so die Energiewende Schritt für Schritt voranbringen.

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