Ukraine-Krieg: Wie reagiert Vattenfall auf mögliche Energieengpässe?

Der Krieg in der Ukraine nimmt kein Ende – und die Sanktionsspirale gegen Russland dreht sich weiter. Immer mehr ins Visier geraten dabei die Energielieferungen des Landes: Kohle, Öl und allen voran Erdgas, das auch Moskau – Stichwort Rubel-Zahlungen – als Druckmittel einsetzt. Aufgrund der aktuellen Entwicklung hat die Bundesregierung die sogenannte Frühwarnstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Wie Vattenfall in diesem Zusammenhang auf mögliche Energieengpässe reagiert, haben wir in den folgenden Fragen und Antworten zusammengefasst.

Was bedeutet die Ausrufung der Frühwarnstufe seitens der Bundesregierung?

Mit Ausrufung der Frühwarnstufe ist im Bundeswirtschaftsministerium ein Krisenteam zusammengetreten. Dazu gehören unter anderem Vertreter:innen der Bundesnetzagentur, des Marktgebietsverantwortlichen Gas, der Energieversorger und Fernleitungsnetzbetreiber sowie der Bundesländer. Das Krisenteam analysiert und bewertet laufend die Versorgungslage und ergreift – wenn nötig – weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit. Noch greift der Staat aber nicht aktiv ein.

Wer wird stattdessen aktiv?

In der Frühwarnstufe sollen Gashändler und -lieferanten, Fernleitungs- und Verteilnetzbetreiber die Gasversorgung mit marktbasierten Maßnahmen weiterführen. Dazu gehören: Flexibilitäten auf der Beschaffungsseite nutzen, auf Gasspeicher zurückgreifen oder Lastflüsse optimieren. Daran würde sich auch in der zweiten Stufe des Notfallplans Gas, der Alarmstufe, grundsätzlich noch nichts ändern. Erst in der dritten Stufe, der Notfallstufe, greift der Staat aktiv in den Markt ein. Dann würde die Bundesnetzagentur zum "Bundeslastverteiler".

Wie bewertet Vattenfall die Ausrufung der Frühwarnstufe?

Es ist richtig und wichtig, dass die Bundesregierung mit der Frühwarnstufe im Notfallplan Gas Vorkehrungen für mögliche Engpässe in der Gasversorgung trifft – auch wenn aktuell keine Mangellage vorliegt. Dies dient der Versorgungssicherheit von Verbraucher:innen und Unternehmen und führt dazu, dass sich alle Beteiligten frühzeitig mit den möglichen Szenarien befassen. Vattenfall hat bereits am 25. Februar 2022 veranlasst, dass Szenarien eines möglichen Ausfalls (egal wodurch veranlasst) des russischen Gases durchgespielt werden. Denn natürlich bereiten wir uns auf eventuelle Engpässe in der Gasversorgung vor und prüfen mögliche Auswirkungen von der Strom- und Wärmeerzeugung bis zur Verteilung an die Kund:innen. Denn sollte es zu einem Engpass kommen, muss die Planung bereits stehen.

Was heißt das genau?

Wir haben am 25. Februar damit angefangen, Szenarien einer reduzierten Gasbereitstellung im Sinne der Notfallversorgungsszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums für uns durchzuspielen. Hier haben besonders sensible Einrichtungen wie Krankenhäuser, Feuerwehr oder Polizei immer Vorrang in der Versorgung – dicht gefolgt von Privathaushalten. Bei einer vor allem auch längerfristigen Versorgungsknappheit sind wir mit der Bundesregierung auf einer Linie: Jeden Kubikmeter Erdgas, den wir jetzt im Land einsparen, haben wir am Ende mehr oder länger zur Verfügung.

Über welche Stellschrauben könnte Vattenfall die Wärmeversorgung bei Versorgungsengpässen von Erdgas kurzfristig sichern?

Vattenfall wäre in der Lage, sehr kurzfristige Versorgungsengpässe beim Erdgas übergangsweise durch Heizölvorräte zu kompensieren. Dies ist hier allerdings kein relevantes Szenario. Denn wenn es zu einem Gaslieferstopp aus Russland kommt, müssen wir davon ausgehen, dass dieser länger anhält.
Anders verhält es sich mit unseren Steinkohlevorräten, die wir vorsorglich für die verbleibenden kalten Tage aufgestockt haben. In Bezug auf die Gasversorgung genießen Wärmeverbraucher:innen einen sehr hohen Schutz in Deutschland – egal ob sie individuell über einen Gaskessel oder in der Gemeinschaft über ein Stadtwärmesystem versorgt sind. Konkret bedeutet dies, dass diese Verbraucher:innen noch vor der Industrie jeweils möglichst durchgehend versorgt werden sollen. Wichtig ist, dass sich Energieversorger, Gasnetzbetreiber und Behörden in der aktuellen Situation eng abstimmen und erforderliche Abläufe für einen Krisenfall vorbereiten. Entscheidungen über Abschaltreihenfolgen und eine mögliche Kontingentierung von Erdgas sind am Ende aber eine Aufgabe der Politik.

Wäre das Berliner Wärmesystem gleichartig von einem Gasmangel betroffen?

Nein, Vattenfall betreibt in der Stadt ein 2.000 Kilometer langes Wärmesystem, in das neun Heizkraftwerke einspeisen. Diese Kraftwerke werden mit unterschiedlichen Brennstoffen betrieben, wobei Gas mit rund 74 Prozent den Großteil des eingesetzten Brennstoffs ausmacht. Diejenigen Heizkraftwerke, die mit anderen Brennstoffen wie Steinkohle oder Biomasse betrieben werden, können grundsätzlich weiter betrieben werden.

Welche dieser Brennstoffe bezieht Vattenfall aus Russland?

Mit Beginn des Krieges hat Vattenfall unmittelbar daran gearbeitet, Alternativen zu russischer Steinkohle zu suchen. Somit haben wir – Stand heute – den Import russischer Steinkohle bereits vollständig eingestellt. Wir werden nun analysieren, welche Auswirkungen die neuen Kohlequalitäten auf Preise, Beschaffungsmöglichkeiten, Wartung und die Emissionsgrenzwerte unserer Anlagen haben werden. Zudem arbeiten wir daran, unser Beschaffungsportfolio weiter zu diversifizieren und dabei unsere hohen Beschaffungsstandards aufrechtzuerhalten. Erdgas kauft Vattenfall nicht direkt von den einzelnen Gasproduzenten, sondern an Handelsplätzen ein. Es stammt also nicht nur aus Russland, sondern aus verschiedenen Lieferländern wie Norwegen, den Niederlanden oder auch aus LNG-Lieferungen nach Europa.

Warum importiert Europa nicht mehr Flüssiggas (LNG)?

Europa hat seine LNG-Importe in diesem Jahr bereits erheblich gesteigert. Die LNG-Importe fließen nun in wettbewerbsfähigen Mengen im Vergleich zu russischem Gas und machen etwa ein Drittel des gesamten europäischen Gasbedarfs aus. Es gibt aber noch technische Hürden: Erdgas muss in speziellen Anlagen gefördert und verflüssigt werden, um in LNG umgewandelt zu werden. Anschließend wird es weltweit mit Schiffen zu Terminals transportiert, wo es wieder verflüssigt wird, bevor es in die lokalen Netze eingespeist wird. Fast ein Drittel dieser europäischen Regasifizierungskapazitäten befindet sich in Spanien oder Portugal, die nur begrenzt an das europäische Gasnetz angeschlossen sind. Deutschland hat derzeit keinen direkten Zugang zu LNG, kann allerdings indirekt zum Beispiel über Rotterdam beliefert werden.

Wie werden sich die Gaspreise weiter entwickeln?

Die Gaspreise werden von einer Reihe von Faktoren abhängen, zum Beispiel vom Wetter, dem Gasangebot aus den USA und der Nachfrage in Asien, den Transportkosten, den Kosten für Öl und Kohle und davon, ob zum Beispiel Norwegen oder die Niederlande in der Lage sein werden, die einheimische Produktion zu steigern. Ohne eine Lösung für den Krieg in der Ukraine werden die Gaspreise wohl auf absehbare Zeit auf einem hohen Niveau bleiben.

Was bedeutet die Entwicklung der Gaspreise für unsere Strom-, Gas- und Wärmekund:innen?

Die Strom- und Gaslieferungen an die Vattenfall Kund:innen sind aktuell nicht gefährdet. Starke Preisschwankungen können wir dabei durch unsere langfristige Beschaffung ausgleichen – uns aber natürlich nicht vom Marktgeschehen abkoppeln. Bei der Stadtwärme gilt: Wärmepreise haben einen Grundpreis und einen Arbeitspreis. Der Grundpreis ist von der Entwicklung der Gaspreise unabhängig. Der Arbeitspreis entwickelt sich entsprechend der eingesetzten Brennstoffe. In Berlin sind das Gas, Steinkohle und Holz. Darüber hinaus enthält der Arbeitspreis ein sogenanntes Marktelement, dass durch einen Gaspreisindex abgebildet wird. Insofern hat die Entwicklung der Gaspreise auch einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Preise der Wärmeversorgung in Berlin.

Was bedeutet der Ukraine-Krieg für die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland?

Der Krieg in der Ukraine zeigt: Wir müssen grundsätzlich viel mehr auf eine diversifizierte Beschaffungsstrategie hinsichtlich der notwendigen Rohstoffe, aber auch generell mit Blick auf den Lieferantenmarkt achten. Darüber hinaus bestätigt sich unser Weg, möglichst schnell und jeden Tag mehr unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden. Das gilt auch und besonders für die Wärmeversorgung, wobei wir mit unserem Produkt der Stadtwärme auch reale Chancen haben, dies zu erreichen. Wichtiger denn je ist der schnelle und massive Ausbau an erneuerbaren Energien und die Nutzung von mehr lokalen Abwärmequellen. Die Beschleunigung der Energie- und Wärmwende kann aber nur dann gelingen, wenn Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen. Konkrete Vorschläge, wie wir Tempo bei der Wärmewende machen und unsere Wärmeversorgung konsequent auf Klimaschutz und Versorgungssicherheit ausrichten wollen, haben wir zuletzt in einem 12-Punkte-Plan vorgestellt: 

→ Vattenfall: Mit 12 Punkten zur Wärmewende

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