Einzigartige Studie: Vögel weichen Rotorblättern von Windturbinen aus
Seevögel weichen den Rotorblättern von Windturbinen offshore gezielt aus – so lautet das wichtigste Ergebnis einer neuen Studie, die die Flugwege Tausender Vögel in der Nähe von Windturbinen in der Nordsee erfasste. Das wichtigste Ergebnis ist, dass während der zweijährigen Überwachung mit Kameras und Radar kein einziger Vogel aufgezeichnet wurde, der mit einem Rotorblatt kollidierte.
Dänische Studie als Vorläufer
Die Untersuchung im Offshore-Windpark Aberdeen basiert auf einer früheren dänischen Studie zu Kurzschnabelgänsen und Grauen Kranichen, die 2020 veröffentlicht wurde. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Studien besteht darin, dass die dänische Untersuchung bei Onshore-Windenergie durchgeführt wurde, dass sie eine physikalischere Methode anwendete (im Gebiet in der Nähe der Windturbinen wurde wiederholt nach Vogelkadavern gesucht) und dass sie sich auf Gänse und Kraniche konzentrierte. Beide Untersuchungen lassen jedoch darauf schließen, dass Vögel den Rotorblättern besser ausweichen können, als zuvor angenommen wurde.
Klicken Sie hier und lesen Sie die Pressemitteilung (Englisch) zur Untersuchung im Offshore-Windpark Aberdeen.
Das Risiko, dass Vögel mit Rotorblättern von Windrädern kollidieren, wird manchmal als Argument gegen die Nutzung von Windkraft angeführt. Nun zeigt ein neuer Bericht – der bisher umfangreichste und technologisch fortschrittlichste in diesem Bereich –, dass Seevögel vor der britischen Küste Rotorblättern von Windturbinen besser ausweichen können, als zuvor angenommen.
Mithilfe von Radar und Kameras konnten die Forschenden das Verhalten der Vögel in der Bucht von Aberdeen in der Nordsee an der Ostküste Schottlands über einen Zeitraum von zwei Jahren überwachen. Im Offshore-Windpark Aberdeen wurden die Bewegungen von Silbermöwen, Tölpeln, Dreizehenmöwen und Mantelmöwen in der Zeit ihrer größten Aktivität von April bis Oktober eingehend untersucht.
Vögel verhielten sich unterschiedlich
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Bewegungsmuster der Vögel in der Nähe der Rotorblätter ab einer Entfernung von ca. 120 m anpassen und zunehmend präziser werden, je näher die Vögel den Rotoren kommen. Zudem zeigten sich einige Unterschiede zwischen den untersuchten Seevögeln. Bei Silbermöwen und Dreizehenmöwen konnte ein waagrechtes Ausweichen in größerem Abstand zu den Rotorblättern, nämlich 90–110 Meter bzw. 140–160 Meter, beobachtet werden, während Tölpel und Mantelmöwen erst 40 bzw. 50 Meter vor den Spitzen der Rotorblätter auswichen.
Kein einziger Vogel getötet
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Während der Studie wurde kein einziger Zusammenstoß zwischen einem Vogel und einem Rotorblatt beobachtet, obwohl die Gefahr besteht, dass Vögel mit den Rotorblättern der Turbine in Kontakt kommen.
„Das ist die wichtigste Erkenntnis“, bestätigt Henrik Skov als Leiter des Projekts.
„Oft wurde behauptet, dass sehr kostspielige Lösungen erforderlich sind, um Kollisionen der Vögel (mit Rotorblättern von Windturbinen) zu vermeiden. Dabei können die Arten, die wir verfolgt haben, diesen perfekt ausweichen. Sie können wirklich gut in der Umgebung von Windkraft überleben“, fügt Skov hinzu.
Einzigartige technische Lösung
In der Vergangenheit war es schwierig, Forschungen zum Kollisionsrisiko für Vögel offshore durchzuführen. An Land ist es vergleichsweise einfach, die Auswirkungen von Windturbinen zu überwachen. Auf See gestaltet sich diese Aufgabe bei oft rauen Wetterbedingungen schwieriger.
Die einzigartige, bisher ungenutzte technische Lösung für die Durchführung der Untersuchung bestand darin, die Daten von Radar und Kameras zu kombinieren. Auf diese Art und Weise konnte die Seevogelart identifiziert und ein dreidimensionales Bild der Flugmuster der Vögel erstellt werden, wie sie den Rotorblätter ausweichen.
„Das Interessante an der Kombination der beiden ist, dass wir stets genau wussten, wo sich jeder Vogel befand. Dies ist dann wichtig, wenn man ermitteln möchte, wie ein Vogel sich wo in einem Windpark verhält“, erklärt Skov.
„Bei Intervallen von zweieinhalb Sekunden wissen wir genau, wo sich die Vögel in einer dreidimensionalen Welt befinden. Wir können beschreiben, wie sie sich an Windturbinen verhalten, wie weit sie von ihnen entfernt sind und welche aktuellen Wetterbedingungen herrschen.“
„Die Rückseite der Turbinen, also die Lee-Seite, erzeugt ebenfalls Turbulenzen, die das Verhalten der Vögel beeinflussen. Neben Witterung und Wind ist dies ein weiterer Aspekt, der bei Berechnungen berücksichtigt werden muss. Eine solche detaillierte Studie hat es bisher noch nie gegeben.“
Verbesserte Vorhersagen des Kollisionsrisikos
Die Ergebnisse könnten möglicherweise den Weg für einfachere Genehmigungsverfahren für Offshore-Windkraft ebnen.
„Bei Umweltbelastungsprüfungen gibt es erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf das Kollisionsrisiko“, erklärt Robin Cox, Vattenfalls Projektmanager für die Studie.
„Dies hat zu einer unnötig vorsichtigen Herangehensweise an das Problem geführt. Bei mehr oder weniger jedem Projekt wurde das Risiko, dass Vögel mit Rotorblättern kollidieren, zu hoch bewertet. In der Forschung wurde davon ausgegangen, dass diese kumulative Auswirkung von Zusammenstößen größer ist als die Population dieser Seevögel tragen kann, was eindeutig negative Auswirkungen auf Genehmigungsverfahren hat. Mit diesem Projekt konnten wir Daten erheben, die wir hoffentlich dafür nutzen können, Kollisionsrisiken präziser vorherzusagen. Wir können so realistischere Zahlen für die Abschätzung der kumulativen Auswirkungen von Windparks in der Nordsee ableiten.“
Detaillierte Studien über Verhalten
Die bisherigen Modellierungsdaten zum Kollisionsrisiko nutzten laut Cox Daten von statischen Modellen und grundlegende Annahmen. Die neue Studie konnte jedoch das Flugverhalten einzelner Vögel genauer untersuchen. Das Projekt wurde zudem über einen längeren Zeitraum durchgeführt, um eine möglichst hohe Genauigkeit zu erreichen.
„Wir wollten, dass das Projekt zwei Jahre lang läuft, um Schwankungen bei den Aktivitäten und Verhaltensweisen im Laufe der Zeit ermitteln zu können“, erläutert Cox.
„Wir hatten auch erwartet, dass es in den ersten Phasen des Projekts zu Kinderkrankheiten der Technologie kommen könnte. Derartige Probleme wollten wir vermeiden, indem wir mit dem Sammeln von Daten begannen, bevor das Projekt tatsächlich startete. Das ist uns gelungen, obwohl es in den ersten Monaten einige technische und logistische Probleme gab. Aus diesem Grund war es sinnvoll, zwei Jahre lang Zeit für das Projekt zu haben. Außerdem konnten wir im zweiten Jahr verbesserte Tracking-Geräte einführen, mit denen wir mehr und bessere Daten sammeln konnten.“
Ein neuer Maßstab für Vogelstudien?
Wie bei den meisten Studien weisen die Ergebnisse in mehrere neue Richtungen. Cox ist davon überzeugt, dass das Modell mit dem Einsatz einer Kombination von Radar und Kameras neue Maßstäbe für die Berechnung des Kollisionsrisikos setzen kann und berichtet, dass noch immer eine große Datenmenge analysiert werden muss.
Skov betont zudem, dass bisher nur vier Vogelarten untersucht wurden. Das Modell kann jedoch auf mehr Arten von Seevögeln oder auf Onshore-Windkraft angewendet werden, was die Bedeutung des Projekts unterstreicht.
„Hier wurden zum ersten Mal überhaupt Vogelarten an einem Offshore-Windpark genau und ausführlich untersucht. Und diese Vögel sind wirklich gut darin, den Turbinen auszuweichen. Wir benötigen jetzt Untersuchungen zu mehr Arten“, berichtet Skov und fügt hinzu, dass die Untersuchung des Vogelverhaltens Teil eines umfassenderen Vorhabens ist, den Bau von Windparks in einem Flugkorridor zu vermeiden.
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