Horns Rev wind farm

Vattenfall will trotz Krise einen Mega-Windpark in der Nordsee bauen

Warum kann Vattenfall den Offshore-Windpark "Nordlicht II" in der Nordsee wie geplant bauen, während international Wind-Projekte auf Eis liegen? 

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Catrin Jung, Leiterin der Geschäftseinheit Offshore-Wind bei Vattenfall erläutert im Gespräch mit Kathrin Witsch vom Handelsblatt die aktuelle Situation in der Offshore-Windbranche.

Der Artikel erschien am 15.09.2023 zuerst auf Handelsblatt.com

Weit im Meer, nördlich von der kleinen Insel Borkum, baut der schwedische Energiekonzern Vattenfall einen Windpark auf See, der 1,7 Millionen Haushalte mit Strom versorgen soll. Am Donnerstag zog das Unternehmen sein Eintrittsrecht für die Fläche in der Nordsee und bestätigte den Bau des Windparks "Nordlicht II", der ab 2028 ans Netz gehen soll. 

Erst vor Kurzem hatte Vattenfall für Aufsehen gesorgt, weil es den Bau eines Offshore-Windparks vor der britischen Küste überraschend gestoppt hatte. In Großbritannien habe man sich vor anderthalb Jahren auf die "notwendigen Erlöse" festlegen müssen, erklärt Vattenfalls Offshore-Chefin Catrin Jung im Gespräch mit dem Handelsblatt. "Und dann sind uns die Kosten davongelaufen."

Die Rechte zum Bau für einen Windpark auf hoher See müssen die Betreiber in Auktionen erwerben. Die niedrigsten Gebote gewinnen in der Regel. So wird vorher festgelegt, wie viel Cents ein Windparkbetreiber vom Staat für die erzeugte Kilowattstunde bekommt. Die Details sind allerdings in jedem Land anders geregelt.

Der Unterschied liege im System, sagt Jung. In Deutschland sei man nicht auf einen Preis festgelegt, sondern den Marktpreisen ausgesetzt, "und es gibt anders als in Großbritannien eine sehr starke Nachfrage nach Grünstrom aus der Industrie". Dass der Park in der Nordsee wie geplant gebaut wird, ist darum eine gute Nachricht für die deutsche Windkraftbranche.

Denn international stehen aktuell mehrere Projekte überraschend zur Diskussion oder wurden gar ganz auf Eis gelegt. Der dänische Windparkbetreiber Orsted musste wegen steigender Kosten erst vor Kurzem 730 Millionen Euro abschreiben - und behält sich einen Stopp der Projekte in Nordamerika erst einmal vor. Noch mehr Projekte könnten auf der Kippe stehen, warnen Experten.

Die Kostenfalle der Offshore-Industrie

Die anhaltende Inflation, steigende Zinsen, strukturelle Versorgungsengpässe und angespannte Lieferketten könnten für die Windkraft auf See einen "perfekten Sturm" heraufbeschwören, fürchtete zuletzt auch RWE-Chef Markus Krebber.

Einige Betreiber haben bei Auktionen zu ambitionierte Preise ausgerufen. Ende des vergangenen Jahres hatte Vattenfall die Auktion für den britischen Windpark mit einem Gebot von umgerechnet 43,55 Euro die Megawattstunde gewonnen.

Bei der geplanten Inbetriebnahme in den Jahren 2026 oder 2027 hatte der Energiekonzern also damit gerechnet, eine Megawattstunde Windstrom für 43,55 Euro zu produzieren. Zum Vergleich: Die aktuellen Produktionskosten liegen laut Bloomberg New Energy Finance aktuell bei knapp 68 Euro die Megawattstunde. Das dürfte der Hauptgrund sein, warum das britische Projekt gestoppt wurde.

Der Windpark "Nordlichter II" scheint sich für Vattenfall dagegen zu rentieren, sonst hätte man die Rechte verfallen lassen können. Die lagen ursprünglich zwar eigentlich bei Vattenfall. Nach einer gesetzlichen Änderung des Ausschreibungsdesigns wurden die Karten allerdings neu gemischt. Jeder durfte noch einmal auf die Flächen bieten. Diese Auktion gewann im vergangenen Sommer Konkurrent RWE. 

Vattenfall wurde allerdings ein sogenanntes Eintrittsrecht eingeräumt - eine Art Vorzugsrecht zum Bau des Windparks für den Preis, den RWE geboten hat. Unklar ist, wie hoch das Gebot der Essener ausgefallen ist. Die Einzelgebote sind nicht öffentlich. Insgesamt wurden vier Flächen mit einer Gesamtleistung von 1800 Megawatt für 784 Millionen Euro versteigert.

RWE hat dabei offenbar gut kalkuliert - Vattenfall bezahlt nun den Betrag und macht damit von seinem Recht Gebrauch. Allerdings: Die finale Investitionsentscheidung steht noch aus. 

Vattenfall ist nicht verpflichtet, den Windpark auch tatsächlich zu bauen. Genau hier sieht Vattenfall-Managerin Jung selbst den Fehler: "Es muss früher Sicherheit geben, dass die Projekte kommen." Eine Möglichkeit sei es, höhere Strafzahlungen bei Nichterfüllung einzuführen.

In Großbritannien musste Vattenfall für seinen Rücktritt gar keine Strafzahlungen leisten. Auch die beiden Ölkonzerne BP und Total, die erst vor Kurzem Ausschreibungen von Offshore-Flächen in Deutschland für insgesamt 12,6 Milliarden Euro gewonnen haben, müssten nur einen Bruchteil davon bezahlen, wenn sie die Windparks doch nicht zu bauen.

Die finalen Investitionsentscheidungen werden teilweise ein paar Jahre vorher getroffen. Und dann bleibe ein Problem, weiß Vattenfall-Managerin Jung: Für Projekte müssen die Betreiber verschiedene Hersteller für Fundamente, Kabel, Turbinen und andere Bauteile finden. "Und das ist gerade gar nicht so einfach", sagt sie.

In der Nordsee sollen bis 2030 Offshore-Wind-Kapazitäten von 120 Gigawatt (GW) gebaut werden. Bis 2050 sollen es sogar 300 Gigawatt sein. Noch fehlen allerdings die Kapazitäten, um dieses Ziel zu erreichen. Nach Branchenangaben können aktuell sieben Gigawatt jährlich installiert werden. Nötig sind aber 30 Gigawatt, um die Ziele zu erreichen. 

 


Der Artikel „Vattenfall will trotz Krise einen Mega-Windpark in der Nordsee bauen“ von Kathrin Witsch erschien am 15.09.2023 zuerst auf Handelsblatt.com
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