"Wir wollen das Gasgeschäft durch elektrifizierte Wärme ersetzen"
Die Energiewende passiert nicht von allein – wir müssen sie aktiv gestalten. Unsere Strategie bei Vattenfall ist klar: Wir setzen auf Elektrifizierung: Wärmepumpen, Photovoltaik, Batteriespeicher, Wallboxen und intelligente Energiemanagementsysteme – wir liefern Lösungen, die unsere Kunden fit für die Zukunft machen. Besonders wichtig dabei: Die Umsetzung vor Ort! Deshalb investieren wir in Handwerksbetriebe, kooperieren mit Stadtwerken und sorgen dafür, dass die Energiewende nicht nur auf dem Papier passiert, sondern in echten Kellern, Heizräumen und Unternehmen.
Im Interview mit ZfK erklärt Markus Reinhardt, wie wir die Energiewende zu Hause konkret anpacken.
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Markus Reinhardt: "Unser Bereich ist enorm wichtig für das strategische Ziel, ein fossilfreies Leben zu ermöglichen."
Mit der Trennung von seinen Assets, unter anderem in Berlin und Hamburg, sowie dem Abschied aus der konventionellen Energieerzeugung hatte Vattenfall seine strategische Neuausrichtung eingeleitet. Neben der fossilfreien Energieerzeugung, dem Erneuerbaren-Ausbau und Industriepartnerschaften sucht der schwedische Konzern nun die Nähe zu den Endkunden. Die Einheit "B2B Solutions" setzt auf ein vollintegriertes Angebot für die Kunden und soll helfen, die Energiewende zu Hause zu ermöglichen. Deren Geschäftsführer Markus Reinhardt kam nach der Übernahme eines Fachbereichs von der Stadtwerke-Kooperation Trianel im Jahr 2017 zu Vattenfall.
Herr Reinhardt, Sie sind seit 2017 bei Vattenfall. Wie hat sich der Markt seitdem verändert?
Bei der Energieversorgung geht es nicht mehr nur um den Verkauf von Strom und Gas, sondern um integrierte, intelligente und fossilfreie Kundenlösungen. Diese umfassen oft auch eigene Erzeugung sowie elektrifizierte Mobilität und Wärmeversorgung. Lösungen bei der Energiewende zu Hause sind hochindividuell, was persönliche Vorlieben, aber auch bauliche Voraussetzungen, angeht. Dies ist für uns Ausgangspunkt, um Kunden von der ersten Beratung an über die maßgeschneiderte Planung bis hin zur schlüsselfertigen Umsetzung zu begleiten.
Ich bin Geschäftsführer der Vattenfall "B2B Solutions" und seit über sieben Jahren bei Vattenfall. Dies geschah im Zuge des Kaufs eines Fachbereichs der Trianel, bei der wir eine Plattform entwickelt hatten, um Energiedienstleistungen effizient und skalierbar zu verkaufen und zu installieren. Seitdem haben wir unsere Dienstleistung und unseren Kundenstamm kontinuierlich weiterentwickelt, von einem kleinen Expertenteam mit 10 Mitarbeitenden zu einer Unternehmensgruppe mit rund 400 engagierten Fachkräften, die die Energiewende aktiv vorantreiben.
Wir haben seitdem zahlreiche Partner, überwiegend aus dem Bereich der Energieversorger, dazugewonnen und unser Geschäftsfeld kontinuierlich ausgebaut. Die regionale Nähe und die Kenntnis der lokalen Infrastruktur vieler regionaler Versorger sind in diesem komplexen Geschäftsbereich entscheidende Wettbewerbsvorteile. Im Gegensatz zu Strom- oder Gasverkäufen ist die Beratung und -umsetzung viel stärker auf individuelle Lösungen angewiesen.
In welcher Hinsicht?
Beispielsweise waren damals Wärmepumpen noch ein Nischenprodukt. Mittlerweile haben wir – trotz eines schwierigen Jahres 2024 – insbesondere ab 2022 ein starkes Marktwachstum gesehen. Unsere Strategie zielt langfristig darauf ab, das Gasgeschäft durch elektrifizierte Wärme, vorrangig Wärmepumpen, zu ersetzen. Darüber hinaus setzen wir auf eigene Erzeugung und Speicherung mit Photovoltaik, Batteriespeichern, verbunden mit einem intelligenten Energiemanagement – sowohl für Privat- als auch Firmenkunden. Wichtig wird zunehmend auch die Integration dynamischer Tarife in diese Produktwelt.
Ist ein Absatzeinbruch bei Wärmepumpen also eine Momentaufnahme?
Der Markt ist derzeit sehr dynamisch, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen. Nach einem Hoch in 2023 mit etwa 380.000 verkauften Wärmepumpen ist der Absatz im Jahr 2024 deutlich zurückgegangen, übrigens gilt dies für alle Heizungsarten. Dennoch haben wir gesehen, dass Wärmepumpen auch im Gebäudebestand funktionieren und sehr hohe Wachstumsraten möglich sind. Langfristig erwarten wir, dass die Zahl der Wärmepumpeninstallationen in den nächsten Jahren erheblich steigen wird, insbesondere im Zeitraum von 2026 bis 2028, wenn die kommunalen Wärmeplanungen abgeschlossen werden und auch in Bestandsgebäuden der 65-Prozent-Erneuerbarenanteil für neue Heizungen gilt. Dazu tragen unter anderem der steigende CO2-Preis sowie höhere Netzkosten für immer kleinere Gasverteilnetze bei. Es gibt jedoch Unsicherheiten, die von politischen Entscheidungen abhängen, wie Förderungen und Wirtschaftlichkeit. Die Photovoltaik hingegen zeigt sich relativ robust mit einem leichten Plus auf über 16 Gigawatt im letzten Jahr.
Um diese Felder zu entwickeln, hat sich Vattenfall von vielen Assets, wie beispielsweise den Netzen in Berlin und Hamburg, getrennt. Ein richtiger Schritt?
Direkte Auswirkungen auf unser Vertriebsgeschäft haben diese Entscheidungen nicht. Sie unterstreichen aber: Wir sehen großes Potenzial für die Energiewende zu Hause und möchten ein vollintegriertes Angebot für unsere Kunden schaffen. Mit unserem Einstieg in das Handwerksgeschäft können wir ihnen ein hervorragendes Erlebnis bieten, indem wir alle Dienstleistungen aus einer Hand liefern – von der Erstberatung bis zur Installation vor Ort. Unser Geschäft ist in den letzten Jahren stark gewachsen und hat sich positiv entwickelt. Vattenfall investiert verstärkt in Übernahmen und Kooperationen mit Handwerksbetrieben.
Der zunehmende Fachkräftemangel macht es erforderlich, langfristig strategisch zu planen.
Viele Handwerksbetriebe stehen vor Herausforderungen bis hin zur Geschäftsaufgabe aufgrund ungeklärter Nachfolgeregelungen. Als Einzelkämpfer haben es Handwerksbetriebe in Zeiten des Fachkräftemangels, der Wärmewende und Digitalisierung heute nicht immer leicht. Um den wachsenden Bedarf an technischem Personal zu decken, sind wir aktiv in den Erwerb von Handwerksbetrieben eingestiegen. Die eingegliederten Betriebe unterstützen wir insbesondere im Vertrieb sowie bei digitalen Prozessen.
Zudem kooperieren wir bereits mit mehreren hundert Fachbetrieben auf unserer Plattform und haben eigenes Handwerkspersonal eingestellt, um in Kooperation auf Augenhöhe Projekte gemeinsam umzusetzen. Der Erwerb eigener Betriebe ist entscheidend, um die Umsetzungskapazitäten zu sichern. Diese Fachbetriebe sind essenziell für die Energiewende und die Elektrifizierung von Gebäuden – sie setzten diese vor Ort um.
Noch ist diese Sparte keine zentrale, treibende Kraft in der Unternehmensbilanz. Setzen Sie da nicht zu viel auf eine Karte?
Strategisch gesehen ist unser Bereich enorm wichtig für die Umsetzung der Unternehmensstrategie: ein fossilfreies Leben zu ermöglichen. Wirtschaftlich gesehen sind wir aktuell noch in einer Wachstumsphase und haben gerade erst begonnen, unsere Unternehmensgruppe zu stärken. Heute ist unser Umsatzanteil im Vergleich zum gesamten Unternehmen, das einen Milliardenumsatz erzielt, noch relativ gering. Dennoch legen wir großen Wert darauf, nachhaltig zu wachsen und sehen langfristig eine wirtschaftlich positive Entwicklung.
Unsere übernommenen Betriebe sind etablierte, mittelständische Unternehmen, die ihr laufendes Geschäft mitbringen. Sie sind in verschiedenen Bereichen aktiv, von Wärmepumpen über Photovoltaikanlagen bis hin zu anderen Elektroinstallationen.
Sie müssen sich aber im Wettbewerb mit bereits profitablen Unternehmen behaupten. Wird die Rechnung aufgehen?
Wir stehen auf einer wirtschaftlich soliden Basis und setzen auf nachhaltiges Wachstum für unsere Geschäftseinheit. Wir streben eine führende Rolle im Markt an. Für uns ist klar: Der Übergang zu einer Wirtschaft ohne fossile Brennstoffe hat längst begonnen. Unsere Ausrichtung ist robust, und wir erzielen bereits operative Erfolge.
Wie kommt es bei den Endkunden an, dass ein globaler Handels- und Erzeugungskonzern nun "in die Keller" geht?
Die Verschmelzung von Commodity und Energiedienstleistungen schreitet voran. Kunden interessieren sich weniger für die einzelnen Komponenten wie Photovoltaikanlagen oder Wärmepumpen, sondern für die Gesamtlösung ihrer Energieversorgung, inklusive der Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge. Energiemanagement und Stromtarife müssen zunehmend zusammengedacht werden. Energieversorger, die diese umfassenden Lösungen anbieten, können besser auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen und eine stärkere Kundenbindung aufbauen. Der Vertrieb dieser Produkte wird in Zukunft stärker integriert sein, was sowohl den Energieversorgern als auch den Kunden zugutekommt.
Welche Rolle spielen bei diesem Konzept die Stadtwerke?
Sie haben einen einzigartigen Zugang zu ihrem lokalen Markt und genießen das Vertrauen ihrer Kunden, sowohl privat als auch gewerblich. Einige Stadtwerke stoßen jedoch an Grenzen, wenn es um die Umsetzung neuer Energielösungen geht, sei es aus Mangel an Personal oder Know-how.
Wir bieten Unterstützung durch White-Label-Produkte, IT-Systeme und Projektumsetzung, ohne dass Vattenfall als Marke in Erscheinung tritt. So können Stadtwerke ihre Kunden mit erfolgreichen Energielösungen bedienen und als treibende Kraft der Energiewende wahrgenommen werden. Unsere Zusammenarbeit mit kommunalen Unternehmen umfasst sowohl technische als
auch strategische Unterstützung.
Wir kooperieren bereits mit über 60 kommunalen Stadtwerken.
Helfen Sie auch bei der kommunalen Wärmeplanung?
Die kommunale Wärmeplanung ist eine große Herausforderung, sowohl in Bezug auf die Planung als auch auf die Finanzierung und Umsetzung. Wir kooperieren bereits mit über 60 kommunalen Stadtwerken und bieten dort die Installation und Wartung von Wärmepumpen an. Da viele Kommunen nur einen geringen Anteil an Fernwärme haben, müssen sie auf Alternativen wie Wärmepumpen zurückgreifen.
Gibt es Überlegungen, neben Handwerksbetrieben auch Unternehmen zu übernehmen, um Kompetenzen hinzuzukaufen, insbesondere im Bereich dynamischer Tarife?
Es gibt sicherlich Wettbewerber besonders im Softwarebereich, doch wir empfnden sie weniger als Konkurrenz, sondern eher als potenzielle Partner im Projektgeschäft. Für Übernahmen sind wir offen, wenn es strategisch sinnvoll ist.
Können Sie ein Beispiel einer solchen Kooperation nennen?
Mit unserer Einheit B2B-Solutions verfolgen wir eine klare Strategie: Wir beschleunigen die Energiewende für unsere kommunalen Stadtwerkekunden, unterstützen sie bei der Elektrifizierung von Gebäuden und machen ihre Kundenbeziehungen im Digitalisierungs- und Projektgeschäft zukunftssicher.
Typischerweise sieht unsere Kooperation zwei Säulen vor: Unsere Partner nutzen unsere Plattform "Vlink", um Energiedienstleistungen skalierungsfähig zu vertreiben und haben uns zudem in mehreren Projekten als Generalunternehmer im Einsatz. Wir unterstützen hier regional bei der Planung, dem Bau von Anlagen und operativ in Verkaufsgesprächen. Zudem arbeiten wir daran, die Zusammenarbeit in weiteren Bereichen wie Wärmeübergabestationen auszubauen.
Vattenfall agiert zunehmend als ein vollintegrierter Energieversorger. Besteht da die Gefahr, dass das breite Angebot den Namen verwässern wird?
Das ist eine berechtigte Frage. Bei Vattenfall haben wir das klare Profil einer unabhängigen Einheit innerhalb der großen Unternehmensgruppe. Die Energieversorger erkennen, was wir ihnen bieten: eine fokussierte Lösung für die Energiewende, insbesondere im Bereich der Wärmewende und dezentraler Erzeugung.
Das Interview führte Artjom Maksimenko.
Das Interview ist zuerst bei der ZfK online erschienen:
"Wir wollen das Gasgeschäft durch elektrifizierte Wärme ersetzen": Zeitung für kommunale Wirtschaft
Und als gekürzte Fassung in der Printausgabe der ZfK: E-Paper