Kavernenraum

Spezialgreifer für Fässer im Kernkraftwerk Brunsbüttel

Vattenfall hat die Kavernen im Kernkraftwerk Brunsbüttel geleert. Insgesamt 632 Fässer wurden mit eigens dafür entworfenen und angefertigten Greifvorrichtungen aus den in den Boden eingelassenen und nur von oben zugänglichen Stauräumen gehoben.

Die Räumung der Lagerräume war einer der notwendigen Schritte für die Stilllegung und den Rückbau der Anlage. Den Rückbauantrag hatte Vattenfall im November 2012 eingereicht und im Dezember 2018 die erste Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für das Kernkraftwerk Brunsbüttel erhalten.

Die Leerung der Kavernen war eine anspruchsvolle Aufgabe. Vattenfall hatte im Jahr 2014 die Lagerräume und die in 632 Stahlblechfässern eingelagerten Abfälle mit einer eigens entwickelten Spezialkamera eingehend überprüft. „Dabei haben wir festgestellt, dass für das Herausheben einiger Fässer besondere Greifwerkzeuge notwendig sein würden, um eine einfache und sichere Handhabung bei der Räumung der Kaverne zu gewährleisten“, berichtet Manuel Münster vom Kernkraftwerk Brunsbüttel. Der 41-jährige Maschinenbautechniker war für den Transport der Fässer zuständig.

„Da es für diesen Anwendungsfall bislang keine Werkzeuge gab, mussten sie extra dafür entworfen und gefertigt werden. Bei dieser aufwändigen Entwicklungsarbeit mussten wir eine Vielzahl an sicherheitstechnischen Anforderungen umsetzen. Hierbei haben wir intensiv mit dem Hersteller zusammengearbeitet. Nach umfangreichen Abnahme- und Funktionsprüfungen sowie einer Kalthandhabung unter quasi Realbedingungen waren die Werkzeuge einsatzbereit. Die Mitarbeiter im Kraftwerk wurden auf die Transporte und die Handhabung der Werkzeuge sorgfältig eingewiesen und geschult.“

Maßgeschneiderte Greifwerkzeuge

elektrischer Winkelringgreifer im Detail, Foto: VattenfallBei der Inspektion wurden die Fässer – je nach Grad ihres Befundes – in fünf Schadenskategorien eingeteilt. Entsprechend der jeweiligen Kategorie kamen beim Herausheben der Fässer verschiedene Greifwerkzeuge zum Einsatz: „Fässer ohne oder mit geringfügigen Auffälligkeiten wurden mit einem Winkelringgreifer am Deckel gehoben.“

 

Umschwenkgreifer und Umfanggreifer während der Abnahmeprüfung beim Hersteller
Umschwenkgreifer (Bild 1 und 2) und Umfanggreifer (Bild 3 und 4) während der Abnahmeprüfung beim Hersteller

 

„Für Fässer mit mittelschweren oder starken Auffälligkeiten standen der Unterschwenkgreifer und der Umfanggreifer zur Verfügung. Bei diesen beiden unterschiedlich konstruierten Greifern handelt es sich um Deckel-Boden-Greifer, wobei das Fass gleichzeitig am Deckel und am Boden angeschlagen wird. Eine weitere Besonderheit des Umfanggreifers ist die komplette Umschließung des Fassmantels während der Handhabung“, erläutert Manuel Münster. „Solche Greifer gibt es bisher sonst nirgendwo.“

Weitere Sicherheitsmaßnahmen

Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme wurde der Arbeitsbereich über den Kavernen komplett geschlossen und eingehaust. „Der Bereich war mit einer eigenen Absaugung ausgestattet, die innerhalb der Einhausung eine gerichtete Luftströmung erzeugt, um den Arbeitsbereich sicher geschlossen zu halten“, so Manuel Münster.

Weitere Behandlung erfolgt individuell

Die Fässer mit Filter- und Verdampferkonzentraten wurden über eine Umsetzstation in Überfässer eingestellt und aus der Einhausung ausgeschleust. Die weitere Behandlung der Fässer richtete sich nach ihrem Inhalt. „Die Fässer mit Filterkonzentraten wurden zur Pulverharz-Umsauganlage, der PUSA, gebracht“, erklärt der Experte. „Dort wurde der Inhalt aus den Fässern in endlagerfähige Container umgesaugt. Die Fässer mit Verdampferkonzentraten wurden in einer Trocknungsanlage nachgetrocknet und samt Fass in endlagerfähige Container gestellt.“

Schematische Darstellung Handhabung von Fässern mit Filterkonzentraten
Vergrößern


Diese Container bleiben bis zum Transport in das dafür vorgesehene Endlager Schacht Konrad in der Transport-Bereitstellungshalle beziehungsweise in dem im Bau befindlichen Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (LasmA). Die Aufsichtsbehörde und externe Gutachten waren kontinuierlich in den gesamten Prozess der Kavernenräumung eingebunden.

Die Kavernen

Die Kavernen sind im Innern des Kraftwerks in den Boden eingelassene Stauräume, die mit Betonriegeln von oben verschlossen sind. So wird Radioaktivität auch für die in der Anlage Beschäftigten sicher abgeschirmt. In ihnen werden vor allem Abfälle aus dem Betrieb der Anlage aufbewahrt. Das sind zum Beispiel sogenannte Filterharze und Verdampferkonzentrate, also Abfälle aus der Abwasseraufbereitung beziehungsweise aus den Prozesskreisläufen des Kernkraftwerks. Filterharze dienen dazu, das Wasser in den Prozesskreisläufen so rein wie möglich zu halten. Verdampferkonzentrate sind getrocknete Rückstände aus der Abwasseraufbereitung. Als Aufbewahrungsbehälter dienen Fässer aus Stahlblech.

Die Kavernen und die Fässer waren zunächst nicht für eine längerfristige Aufbewahrung vorgesehen. Das für die Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen vorgesehene Endlager des Bundes – Schacht Konrad bei Salzgitter – sollte ursprünglich Mitte der 1990er Jahre eröffnet werden. Die tatsächliche Inbetriebnahme wurde jedoch seither immer wieder verschoben; aktuell soll das Bundesendlager 2027 in Betrieb gehen.

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