PPA könnten die langfristige Liquidität ankurbeln
Die strukturellen Veränderungen der europäischen Energiebranche halten an, wobei subventionsfreie erneuerbare Energien einer von vielen Trends sind. Frank van Doorn, Head of Trading bei Vattenfall, sprach mit Argus darüber, wie Power Purchase Agreements (PPAs), also Direktabnahme-Verträge, die Liquidität bei langfristigen Produkten steigern könnten. Der vollständige Beitrag erschien zuerst im Branchenletter Argus.
Herr Frank van Doorn, die Nutzung von Power Purchase Agreements (PPA) für erneuerbare Energien ist mit dem Aufkommen subventionsfreier erneuerbarer Energien auf dem Vormarsch. Ist Vattenfall im Bereich grüner PPA tätig? Und können PPA Ihrer Meinung nach dazu beitragen, Projekte für erneuerbare Energien auf Kurs zu halten, die ab Anfang der 2020er-Jahre aus Deutschlands Subventionsprogramm im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) herausfallen werden?
Frank van Doorn: Vattenfall ist auf verschiedene Weise im Bereich der PPA tätig. Wir haben Wind-PPA für unsere eigenen Anlagen im Portfolio, schließen aber auch PPA mit Dritten ab, die Projekte für erneuerbare Energien entwickeln. Dieses Portfolio bieten wir größeren Verbrauchern an, die sich mit Hilfe eines PPA mit erneuerbarer Energie zur für ihren eigenen Strombedarf eindecken können. Wir betätigen uns also als Verkäufer sowie als Käufer von PPA und sind in Skandinavien, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien vertreten. Was Deutschland und Post-EEG-Anlagen betrifft, halten wir PPA für ein gutes Instrument, um die zukünftige wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser Anlagen sicherzustellen. Da wir uns in der EU auf dem Weg hin zu einer Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe befinden, ist es wichtig, den Fortbestand von Deutschlands Post-EEG-Windparks zu sichern.
Sehen Sie einen Nutzen in alternativen Instrumenten für nicht subventionierte erneuerbare Energien, um deren künftiges Marktrisiko zu steuern, wie zum Beispiel Herkunftsnachweise (Guarantees of Origin)?
Herkunftsnachweise werden bereits in den Niederlanden und in Skandinavien eingesetzt, sind jedoch in Deutschland noch nicht in Schwung gekommen. Ich sehe sie als das i-Tüpfelchen für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien an. Wenn wir uns also in Deutschland hin zu nicht subventionierten erneuerbaren Energien bewegen, könnten sie ein Weg zur Sicherung des Fortbestands von Projekten für erneuerbare Energien sein.
Die Handelsvolumina für Produkte mit längeren Laufzeiten sind rückläufig, zum Teil weil durch steigende Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien kurzfristiger Handel wichtiger wird. Werden die steigende Nutzung von PPA und die Notwendigkeit ihrer Absicherung den Handel mit langfristigen Produkten ankurbeln?
PPA könnten sicherlich die Liquidität am hinteren Ende der Kurve fördern. Hinsichtlich der Projektfinanzierung wollen Banken in der Regel PPA mit Laufzeiten von 10 bis 15 Jahren sehen. Dies können die Strommärkte jedoch derzeit nicht bieten, weil man nicht so weit in die Zukunft handeln kann. Auf dem skandinavischen Markt kann man in begrenztem Umfang mit diesem sehr langfristigen Horizont handeln, und es hat beispielsweise gelegentliche Abschlüsse für 2028 gegeben. Auf dem deutschen oder niederländischen Markt sehen wir jedoch überhaupt keine Transaktionen mit derartigen Laufzeiten.
Der PPA-Markt ist ein interessanter Markt. Er ist nicht ohne Risiko, bietet aber Chancen. Es gibt auf diesem Markt nicht viele Akteure, die dieses Risiko managen können. Vattenfall ist wohl eines der grünsten Energieunternehmen Europas und wir verfolgen die Strategie, auf ein Erzeugungsportfolio ganz ohne fossile Brennstoffe umzustellen. Deshalb sind wir nicht nur im Bau und Betrieb von Windparks tätig, sondern auch auf dem PPA-Markt, und wir wollen diesen Markt unterstützen. Außerdem glaube ich, dass PPA langfristig dazu beitragen könnten, einen Trend auf dem Strommarkt auszulösen, der das Gegenteil von dem ist, was wir auf den europäischen Gasmärkten erlebt haben. Viele Teilnehmer sind von langfristigen Gaslieferverträgen abgekehrt und konzentrieren sich auf einen Spotindex-basierten Handel. Bei Strom könnten wir eine Liquiditätsentwicklung bei langfristigen Produkten sehen, um das Preisrisiko für diejenigen zu steuern, die langfristige PPA anbieten.
Von 2016 bis 2017 wurde in einigen europäischen Märkten die Brennstoffumstellung von Kohle auf Gas vollzogen, in diesem Jahr dagegen weniger. Glauben Sie weiterhin, dass Gas eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird?
Ja, auf jeden Fall. Eine wesentliche Triebkraft ist die Entscheidung zur Dekarbonisierung. Politische Entwicklungen an dieser Front werden sicherlich eine Rolle beim Ausstieg aus der Kohleverstromung in der EU spielen. Wir erleben die Debatte über einen Kohleausstieg in den Niederlanden, wo ältere Anlagen vorzeitig abgeschaltet werden könnten. In Deutschland dauert die Debatte an. Ein vorzeitiger Ausstieg aus der Energieerzeugung mit Kohle wird unmittelbare Auswirkungen auf die Nachfrage nach Gas seitens der Energiebranche haben.
Vattenfall beteiligt sich am Blockchain-Projekt Ponton Enerchain. Sehen Sie Blockchain als bahnbrechend im Energiehandel an?
Ich denke, es gibt zwei Anwendungen für Blockchain. Eine davon ist der Peer-to-Peer-Handel auf einer lokalen Ebene. Dabei geht es darum, lokale, kleinere Transaktionen zu erleichtern, vor allem um Flexibilität im Markt zu monetarisieren. Blockchain ist in erster Linie eine Technologie, die es Marktteilnehmern ermöglicht, die Transaktionskosten zu senken. Besonders für kleinere Anwendungen wie lokalen Handel mit Flexibilität sind die Transaktionskosten entscheidend. Deshalb wird es meines Erachtens auf dieser Ebene mehr Peer-to-Peer-Handel geben. Ich sehe durchaus Potenzial für Blockchain im Energiegroßhandel. Aber noch einmal, es ist eine Technologie und keine Dienstleistung wie beispielsweise diejenigen, die von Brokern oder Börsen durch die Zusammenführung von Geboten und Angeboten erbracht werden. Wir stehen noch ganz am Anfang der Blockchain-Entwicklung und müssen deshalb abwarten, wie das Potenzial genau aussehen wird.
Die Vattenfall Group hat sich für die Anwendung einer Dekarbonisierungsstrategie sowie für Dezentralisierung und Digitalisierung entschieden. Hat dies unmittelbare Auswirkungen auf den Energiehandel bei Vattenfall?
Ja. Wir betreiben jetzt verstärkt Handel unter Zuhilfenahme von Algorithmen. Dies gilt für Intraday-Märkte, in denen Algorithmus-basierter Handel aufgrund des Wachstums erneuerbarer Energien unabdingbar ist, um mit dem Markt Schritt zu halten. Wir arbeiten auch an künstlicher Intelligenz und glauben, dass sie uns helfen könnte, Handelsstrategien zu definieren. Ein weiterer Bereich der Digitalisierung bei Vattenfalls Handelsabteilung umfasst die Vernetzung von Flexibilitätsplattformen.
Sehen Sie die Rolle des Händlers infolge dieser Entwicklungen im Wandel begriffen und besteht Besorgnis darüber, wie neue Experten gewonnen werden können?
Ich denke, es werden mehr Entwickler für algorithmischen Handel Seite an Seite mit Händlern arbeiten. Die Energiebranche musste schon immer Experten anziehen, und insbesondere im Handel ging es stets um Wissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter. Der Bedarf an Datenwissenschaftlern steigt nicht nur in der Energiebranche, sondern in allen Sektoren. Experten sind heute die knappe Ressource , und eine der Herausforderungen darin besteht, einen Talentpool innerhalb des Unternehmens zu schaffen.
PPAs ermöglichen Unternehmen die Versorgung mit Erneuerbaren
Blockchain kann Energiehandel vereinfachen
Blockchain im Stromhandel - ein Feldversuch