Markus Witt zur urbanen Energiewende

Weltweit setzt sich der Trend zur Urbanisierung fort. Bereits heute leben mehr als die Hälfte der Menschen - Tendenz steigend - in Städten, die 75 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursachen. In Anbetracht der Pariser Klimaziele und vor dem Hintergrund des von der Europäischen Kommission angekündigten Green Deals, der Europa bis 2050 klimaneutral machen soll, spielen die Herausforderungen und Potenziale städtischer Energieversorgung eine wesentliche Rolle, um einen nachhaltigen ökologischen Wandel zu ermöglichen. Wie aber wirkt sich die aktuelle Covid-19-Krise auf den europäischen Green Deal und die Energiewende in den Städten aus?

Im Rahmen der Berliner Energietage, die in diesem Jahr als „digitaler Sommer der Energiewende“ stattfinden, diskutieren am 10.06.2020 u.a. Markus Witt von Vattenfall, Mara Marthe Kleiner von Agora Energiewende, Willi Meixner von Siemens Energy, Ruud Kempener von der Europäischen Kommission und Jakob Schlandt vom Tagesspiegel im „Forum Urbane Energiewende“ über die Bedeutung der Covid-19-Krise für den Green Deal und die Städte.

Markus Witt

Im Gespräch erläutert Markus Witt, Vice President of Asset Management der BA Heat bei Vattenfall, seine Perspektive auf den europäischen Green Deal und die Auswirkungen der Coronakrise auf die Energiewende.  
 
1. Herr Witt, was ist der Green Deal und wie lässt er sich im Zusammenspiel mit nationalen und kommunalen Politiken einordnen? 

Markus Witt: Der Green Deal als europäisches Konzept hat den Anspruch, sektorübergreifend ein ganzheitliches Umsteuern in Richtung Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei gleichzeitiger sozialer Gerechtigkeit zu erreichen. Europa soll mithilfe einer Reihe von Maßnahmen bis 2050 ein „net zero target“ bei den CO2-Emissionen, also Klimaneutralität erreichen.  

Die Umsetzung der Maßnahmen des Green Deal aber liegt bei den Nationalstaaten und in Deutschland bei den Bundesländern. Berlin hat für sich mit dem Energiewendegesetz von 2016 praktisch die gleichen Ziele definiert, die der Green Deal für Europa aufstellt – vor allem Klimaneutralität bis 2050. Insbesondere dem Verkehrssektor und dem Umwandlungssektor, also ganz praktisch der Wärmemarkt mit seinen Endverbrauchern, den Wohn- und Gewerbeimmobilien, kommen bei der CO2-Reduzierung Schlüsselrollen zu. Berlin hat sich für die Umsetzung ein eigenes Energie- und Klimaschutzprogramm gegeben. 

Zwischen der EU- und der Länderebene haben wir noch den Bund mit den aktuell großen Projekten zur Energie- und Wärmewende, sei es das Kohleausstiegsgesetz, die Anpassungen im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWK-G), die erwartete Wasserstoffstrategie oder das Gebäudeenergiegesetz.  

2. Wie trägt Vattenfall zur Umsetzung des Green Deal und der nationalen CO2-Ziele bei? 

Vattenfalls Strategie innerhalb einer Generation ein fossilfreies Leben zu ermöglichen, passt auf jeder Ebene hervorragend zu den Zielen des Green Deal. In Berlin haben wir das mit der → Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg 2030 gezeigt: Es geht nicht mehr um das „Ob“, sondern wir arbeiten konkret am „Wie“, entwickeln belastbare Lösungen. 

3. Was bedeutet die Coronakrise für die Energiewende? 

Langfristig erwarte ich von Covid-19 keine Auswirkungen auf Vattenfalls Ziele oder deren Erreichbarkeit. Das gilt gleichermaßen für unseren Kohleausstieg in Berlin bis 2030. Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind einfach so essentiell, dass wir daran keine Abstriche machen dürfen. Weder in Europa, noch in Berlin. 

Kurzfristig sehen wir jedoch, dass die entstandenen volkswirtschaftlichen Schäden ungeheure finanzielle Mittel benötigen. Das wird die Frage nach der Finanzierungsfähigkeit des Green Deals oder von entsprechenden Programmen auf Bundes- und Landesebene aufwerfen. Und da ist mein Standpunkt: Gerade jetzt gilt es zukunftsorientiert zu investieren. Hier braucht es jetzt die richtigen regulatorischen Weichenstellungen, um Investitionen in Schlüsseltechnologien, Forschung und den sektorübergreifenden Umbau von Wertschöpfungsketten trotz der geschwächten wirtschaftlichen Stimmung anzureizen und abzusichern.  

Mehr zum Thema

→ Unternehmen ohne klare Klimaziele bekommen Probleme
→ Energieunternehmen rufen zu europäischen „Green Deal“ auf

Mehr Informationen

Martin Brudermüller und Anna Borg bei der Vertragsunterzeichnung am 22.04.2024 in Stockholm

Vattenfall und BASF unterzeichnen Kaufvertrag über 49 Prozent der deutschen Nordlicht-Offshore-Windparks

Vattenfall und BASF vertiefen ihre Partnerschaft im Bereich erneuerbarer Energie.

Lesen Sie den gesamten Artikel

Aufbau von Energieresilienz angesichts des Klimawandels

Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Energiesektor aus? 

Lesen Sie den gesamten Artikel

Vattenfall und Borealis unterzeichnen ersten langfristigen PPA für Wasserkraft

Vattenfall beliefert die Produktionsanlage von Borealis in Stenungsund mit fossilfreiem Strom.

Lesen Sie den gesamten Artikel