Schriftzug CO2 aus Wolken geformt

Das EU-Emissionshandelssystem lässt seine Muskeln spielen

In ihrer Rede auf dem Klimagipfel von US-Präsident Joe Biden bezeichnete unsere CEO Anna Borg die Bepreisung der CO2-Emissionen als das wirksamste Instrument zur Erreichung der Klimaziele.  

Der Grund dafür ist: 

Die Europäische Union hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Das bedeutet, dass das Ziel darin besteht, bei den Treibhausgasemissionen eine Netto-Null-Bilanz zu erreichen. Dies soll der Beitrag unserer Region zur Erreichung des Ziels des Übereinkommens von Paris sein, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen.  

Um den richtigen Weg in Richtung dieses Ziels bis zur Mitte des Jahrhunderts einzuschlagen, haben sich die EU und ihre Mitgliedstaaten im April darauf geeinigt, die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Diese Verpflichtung wurde vor Kurzem in das erste europäische Klimagesetz aufgenommen.  

Emissionspreis über 50 Euro

Ein Schlüsselinstrument zur Erreichung der neuen Klimaziele der EU ist das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS). Dieses marktbasierte Instrument setzt eine absolute und abnehmende Obergrenze für die gesamten CO2-Emissionen aus den von ihm regulierten Sektoren (Strom und Fernwärme, energieintensive Industrien und die Luftfahrt innerhalb der EU) und bietet gleichzeitig Anreize für kostenwirksame CO2-Emissionsreduktionen auf der Grundlage des EU-weiten und einheitlichen CO2-Preises, der vom Markt bestimmt wird. Heute sind rund 45 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in der EU durch die Richtlinie über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (EU-EHS-Richtlinie) geregelt. 

„Das EU-Emissionshandelssystem ist heute in einem viel besseren Zustand als noch vor ein paar Jahren“, sagt Erik Filipsson, Policy Advisor bei Vattenfall Public & Regulatory Affairs EU, und verweist darauf, dass die EHS-Marktpreise in der ersten Maiwoche erstmals über 50 Euro pro Tonne CO2 gestiegen sind.

Kohle wird ersetzt

Die Europäische Kommission will die Klimaziele der EU erreichen, indem der Verursacher zur Kasse gebeten wird. Ohne einen CO2-Preis wären beispielsweise Kohlekraftwerke viel billiger als die Gaserzeugung, allerdings sind sie doppelt so umweltschädlich.  

„Früher waren Kohlekraftwerke immer im Dauereinsatz und der Restbedarf wurde mit Gasanlagen erzeugt“, erklärt Nanne Visser 't Hooft, Head of Cross Commodity bei BU Trading in Hamburg. „Seit der Einführung des EU-EHS ist es jedoch besser, andere Energiequellen zu erschließen oder nach Alternativen zu suchen. Dank des EU-EHS haben wir in den letzten Jahren auf dem europäischen Strommarkt einen bedeutenden Brennstoffwechsel von Kohle auf Gas erlebt.“  

Verzehnfachung in vier Jahren 

Das Grundprinzip ist einfach: Für jede Tonne CO2, die emittiert wird, muss der Betreiber CO2-Zertifikate abgeben, und wenn zu viel CO2 im Verhältnis zu den Zertifikaten emittiert wird, müssen hohe Bußgelder gezahlt werden.  
 
Unternehmen können auch mit ihren CO2-Zertifikaten, den so genannten EUAs, handeln. Der Handel findet täglich an den EEX- und ICE-Futures-Börsen statt. Im Jahr 2017 hatte das Vertrauen in das EU-EHS-System einen Tiefstand erreicht, und die CO2-Preise lagen bei etwa 5 Euro pro Tonne. Da zu viele Zertifikate im Umlauf waren, blieben die Preise niedrig, was den Unternehmen keinen Anreiz bot, in nachhaltige Produktionsmethoden zu investieren.  
 
„Nach der jüngsten Reform des EU-EHS, die 2017 vereinbart wurde, sind die CO2-Preise in den letzten Jahren stark gestiegen und werden derzeit bei über 50 Euro gehandelt. Hohe Preise haben jedoch eine Kehrseite. Wenn die Preise weiterhin rasch steigen, könnten einige Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, weil sie sich das nicht mehr leisten können. Im Idealfall sollten die Preise langsam steigen, damit die Unternehmen Zeit haben, zu prüfen, wie sie nachhaltige Investitionen tätigen können und die Kosten wieder hereinholen können. Es bleibt ein Balanceakt“, sagt Nanne Visser' t Hooft. 

Grafik zur ETS-Preisentwicklung

Anstieg des CO2-Preises: In vier Jahren hat sich der Preis für europäische Emissionsrechte im EU-EHS verzehnfacht.

Die Industrie bewegt sich langsam

Seit 2017 ist das Vertrauen in das Emissionshandelssystem stark gestiegen, und das hatte vor allem im Energiesektor reale Markteffekte: Die Erzeugung von Strom aus Kohle ist aufgrund der höheren CO2-Kosten nicht mehr rentabel.  
 
„Wenn die politischen Entscheidungsträger der EU die EU-EHS-Politik stärken, finden die Marktkräfte die kostengünstigsten Lösungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen, um die neue Obergrenze für Zertifikate einzuhalten“, sagt Erik Filipsson. „Im Energiesektor sind wir relativ weit gekommen, die Versorgung zu dekarbonisieren und uns an die strengere Klimapolitik anzupassen, aber in der Industrie geht es langsamer voran. Dies ist zum Beispiel auf die Verwendung fossiler Brennstoffe als Rohstoff, lange Investitionszyklen und höhere Reduktionskosten zurückzuführen. Aber das Bewusstsein dafür, wohin sich die Obergrenze für Emissionszertifikate in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird, sorgt auch dafür, dass sich die Industrie auf eine Zukunft mit CO2-Beschränkungen vorbereiten kann. Daher sehen wir auch dort einige sehr spannende Pläne und Initiativen, um die aktuellen Prozesse von Grund auf in eine fossilfreie Produktion umzuwandeln.“ 

Frühes Handeln 

Die Anpassung der Obergrenze des EU-Emissionshandelssystems an die neuen EU-Klimaziele für 2030 und 2050 hat bei der bevorstehenden Reform der EU-EHS-Richtlinie höchste Priorität. Hier wird der Lineare Reduktionsfaktor (LRF, siehe Faktenkasten) wichtig sein, um die Anzahl der Emissionszertifikate im Laufe der Zeit zu begrenzen. 
 
„Es ist auf jeden Fall notwendig, den Linearen Reduktionsfaktor weiter zu erhöhen, um die neuen Ziele zu erreichen, aber wir betonen auch, dass dies so schnell wie möglich geschehen muss“, sagt Erik Filipsson auf der Grundlage der neuen Position von Vattenfall. „Frühes Handeln ist hier das Schlüsselwort. Wir haben nur noch 8,5 Jahre Zeit, um das neue Ziel der EU zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu erreichen.“  
 
Außerdem wird es wahrscheinlich mindestens 1,5 Jahre dauern, bis die EU-Verhandlungen abgeschlossen sind. Vattenfall hält die Anwendung eines neuen Linearen Reduktionsfaktors ab 2023 oder spätestens 2024 für möglich und auch für viel besser, als ab 2026 einen deutlich höheren LRF einzurichten, da dies für viele Unternehmen belastend wäre und dazu führen könnte, dass sich die Reduktionsanstrengungen auf die letzten Jahre des laufenden Jahrzehnts konzentrieren. „Grundsätzlich streben wir Berechenbarkeit, einen vorausschauenden und ausgewogenen Emissionsverlauf sowie ein frühzeitigeres Handeln an.“ 

Positionspapier der Group – mit einer Stimme sprechen 

Das neue Positionspapier von Vattenfall zur bevorstehenden Überarbeitung der EU-EHS-Richtlinie wurde im Februar angenommen, weit vor dem Legislativvorschlag, der voraussichtlich im Sommer von der Europäischen Kommission veröffentlicht werden wird. Erik Filipsson und Nanne Visser 't Hooft sind beide Mitglieder der Vattenfall Expert Task Force (ETF) für eine Dekarbonisierungsstrategie, die für die Vorbereitung der Position der Group verantwortlich war und in der auch Kollegen aus allen anderen relevanten Business Areas und Staff Functions bei Vattenfall vertreten sind.   
 
„Wir stehen am Anfang einer sehr wichtigen, neuen Phase der Politikgestaltung und müssen als Vattenfall den externen Stakeholdern gegenüber mit einer Stimme sprechen. Dieses Positionspapier hilft uns dabei“, sagt Erik Filipsson. „Trotz der jüngsten, erfolgreichen Reformen besteht der dringende Bedarf, die EU-Politik rasch vollständig an die neuen Klimaziele für 2030 und 2050 anzugleichen. Die Festlegung von Zielen im Einklang mit dem Pariser Abkommen ist sehr wichtig, aber es sind die starken Strategien und unternehmerischen Maßnahmen, die echte Veränderungen vorantreiben können.“  

Vattenfalls neue EU-ETS-Position

Link zum neuen Positionspapier von Vattenfall zum EU-EHS (in englischer Sprache)

Linearer Reduktionsfaktor

Ein CO2-Zertifikat beinhaltet das Recht, eine Tonne Treibhausgase auszustoßen. Die Europäische Kommission hat einen Grenzwert für die gesamten CO2-Emissionen von Tätigkeiten festgelegt, die unter die EU-EHS-Richtlinie fallen: Das Ziel für 2020 war eine Reduzierung um 21 Prozent gegenüber 2005, mit einer Obergrenze von 1,6 Milliarden Tonnen CO2 bis 2020. Seit 2020 wird diese Obergrenze jährlich um 2,2 Prozent gesenkt; dies wird als Linearer Reduktionsfaktor (LRF) bezeichnet. In den kommenden Jahren muss der LRF weiter hochgesetzt werden, um an die neuen Klimaziele der EU für 2030 angeglichen zu werden.

 

Marktstabilitätsreserve

2019 wurde ein neuer Mechanismus eingeführt, die Marktstabilitätsreserve (MSR), mit der dem historischen Überangebot entgegengewirkt und einer robusteren Entwicklung der CO2-Preise Rechnung getragen werden soll. Wird ein bestimmter Marktüberschuss erreicht, werden jedes Jahr 24 Prozent der Gesamtanzahl der Zertifikate vom Markt genommen und in eine Reserve eingestellt. Die überflüssigen CO2-Zertifikate in der Reserve werden dauerhaft gestrichen, während einige gehalten werden, um wieder in den Markt einzutreten, wenn es dort zu Engpässen kommt. Die MSR wird derzeit überprüft, um sicherzustellen, dass sie auch in Zukunft den neuen Herausforderungen standhält.

 

Rückgang der Emissionen

Im Jahr 2019 gingen die Emissionen aus Anlagen in allen am EU-EHS teilnehmenden Ländern im Vergleich zu 2018 um 9,1 Prozent zurück. Der Rückgang war hauptsächlich auf den Energiesektor zurückzuführen, wo die Emissionen um fast 15 Prozent zurückgingen, da Kohle durch Strom aus erneuerbaren Energien und die Gasstromerzeugung ersetzt wurde. Die Emissionen aus der Industrie gingen um fast 2 Prozent zurück. Im Jahr 2020 war der Emissionsrückgang sogar noch stärker (12,6 Prozent), was auf eine Kombination verschiedener Faktoren, zum Beispiel die COVID-19-Krise, die hohen EU-EHS-Marktpreise und den anhaltend starken Kapazitäteneinsatz im Bereich erneuerbare Energien zurückzuführen ist.

Mehr zum Thema:

→ Vattenfalls CO2-Roadmap
→ Unsere Verantwortung für die Energiewende 

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